US-Präsident Donald Trump meint es ernst. Im Wahlkampf hatte er versprochen, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden – als er gewonnen hatte, setzte er sich schon am 6. November mit Wolodymyr Selenskyj in Verbindung. Elon Musk war dabei, übernahm das Telefon und setzte das Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten fort.
Daß Musk mitentscheidet, hat gute Gründe. Als die russische Armee im Februar 2022 einmarschierte, war er es, der der Ukraine einige tausend Starlink-Terminals zur Verfügung stellte. Ohne sie hätte die Ukraine den Krieg so nicht führen können. Am 6. November soll Musk Selenskyj versprochen haben, daß Starlink weiterhin zur Verfügung steht.
Trump wird die Ukraine nicht einfach fallenlassen. Aber was will er dann? Er will den Krieg beenden, weil er seine Fortsetzung für sinnlos hält. Er sieht in China, nicht in Rußland, den Gegner, der vitale US-Interessen bedroht. Als Realist weiß er, daß die Ukraine die Krim und den Donbass nicht zurückerobern kann. Er wird also Kiew empfehlen, den Status quo zu akzeptieren. Der Haken dabei: Der Waffenstillstand soll nicht von amerikanischen, sondern von europäischen Friedenstruppen überwacht werden. So viel zumindest ist aus Trumps Team durchgesickert. Seine Leute halten die Ukraine für ein Problem allein der Europäer.
Selenskyj wird mitspielen müssen und nicht riskieren wollen, daß Starlink abgeschaltet wird. Die Russen wiederum werden es nicht eilig haben, solange sie auf dem Vormarsch sind. Sie werden ihr Kriegsziel erreichen wollen: die Absage an eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Und Trump könnte den Deal beschleunigen, indem er einerseits dem Kreml die Lockerung der Sanktionen in Aussicht stellt, andererseits mit neuen Waffenlieferungen an Kiew droht. Immerhin deutet sich an, daß Moskau den Anschluß des erschöpften und bankrotten Landes an die EU tolerieren würde. Noch nicht Bestandteil der Debatte ist die Idee, daß Moskau die eroberten Gebiete der Ukraine abkaufen könnte. Das käme der künftigen deutschen Regierung entgegen, von der ohnehin erwartet wird, daß sie den größten Teil des Wiederaufbaus finanziert. Offen bleibt, wie eine endgültige Lösung aussehen wird, die eine Rückkehr des Krieges nach einem Waffenstillstand ausschließt. Daß dieser schon 2025 zustande kommt, wäre keine große Überraschung.
So gesehen müßten die Deutschen darüber erleichtert sein, daß Trump am 20. Januar 2025 in das Weiße Haus einzieht und nicht Kamala Harris, auf die das alte Establishment und die Kriegspartei der Neokonservativen gesetzt haben. Fatal ist es, daß sich die Europäer bisher mit dem Krieg abgefunden und keinen eigenen Friedensplan entwickelt haben. Realpolitisch reagiert hat eigentlich nur Ungarns Premierminister Viktor Orbán. Trump schätzt ihn, den Brüsseler EU-Apparat verachtet er. Dabei könnte Europa mitreden, wenn Berlin und Paris mit einer Stimme sprächen. Eine, wenn auch noch vage Chance für Deutschland besteht darin, daß nach einer Ukraine-Regelung und mit dem Ende der Sanktionen billiges russisches Gas wieder fließen könnte – eine Voraussetzung von vielen für ein Comeback der deutschen Industrie.
Schwerer zu durchschlagen ist der gordische Knoten Palästina. Trump ist bekanntlich Benjamin Netanjahu und dem Staate Israel wohlgesonnen. Er wird die Israelis zu einer Zwei-Staaten-Lösung nicht zwingen wollen oder können. Nachdem der Gazastreifen nach den massiven Bombardierungen praktisch unbewohnbar ist, läge es in der Logik Netanjahus, die Bewohner einfach auswandern zu lassen. Fragt sich nur, wohin. Jedenfalls wird der Pragmatiker Trump mitreden, wenn sich der Nebel des Krieges lichtet. Netanjahu wird eher auf ihn hören als auf Biden, von Harris ganz zu schweigen.
Verglichen mit Trumps erster Amtszeit hat sich die US-Position in Nahost verschlechtert. Damals konnte er die Emirate am Golf noch dazu bringen, mit Israel Frieden zu schließen. Und die Feindschaft zwischen dem Iran und dem Ölgiganten Saudi-Arabien war wie zementiert. Inzwischen haben sich die Saudis sowohl Rußland als auch dem Iran angenähert und zugleich die enge Bindung an die USA gelockert. Syrien und der Iran sind mit Rußland verbündet. Die Türkei, das geopolitische Scharnier zwischen Europa und Asien, agiert souverän zwischen den Großmächten. Und dann muß Trump auch noch einen Modus vivendi mit dem größer und stärker werdenden Zusammenschluß der BRICS finden. Auf dem Gipfeltreffen im Oktober im russischen Kasan wurden weitere 13 Staaten als Partner aufgenommen. Sobald sie Vollmitglied werden, entfallen auf die BRICS über 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und mehr als die Hälfte der Bevölkerung.
Während von der Leyens EU eine politische Führungsrolle vorspiegelt, die sie nicht ausfüllen kann, lassen die BRICS die Souveränität ihrer Mitglieder unangetastet. Sie kooperieren wirtschaftlich und sind sich einig in der Ablehnung westlicher Sanktionen und amerikanischer Hegemonieansprüche. Trump muß mit mächtigem Widerstand rechnen, wenn er auf Konfrontationskurs zu China geht. Und Deutschland? Berlin muß seinen Platz in der neuen multilateralen Weltordnung erst noch finden.
Die deutschen Ängste, Washington könne die Nato verlassen und den sogenannten amerikanischen Schutzschirm aufkündigen, sind unbegründet. Genaugenommen bestand der Schutzschirm nur darin, daß die USA auf einen russischen Vorstoß notfalls mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen auf europäischem und vor allem auf deutschem Boden reagiert hätten. Rußland ist weit entfernt davon, einen Krieg mit der Nato zu riskieren, und die USA werden ihre europäische Gegenküste nicht in feindliche Hände fallen lassen. So oder so wird Deutschland aufrüsten müssen – nicht nur wegen des erwartbaren Drucks der Regierung Trump, sondern auch aus eigenem Interesse. Militärisch blanke Länder werden nicht ernst genommen. In der realen Welt ist eine zur Verteidigung fähige Bundeswehr der für die Souveränität zu zahlende Preis.
Dr. Bruno Bandulet war Chef vom Dienst der Welt und gibt den „Deutschland-Brief“ heraus.