Demokratieretter. Nicht alle AfD-Wähler sind rechtsextrem, räumt Jürgen Wiebicke in seinem sechsten Buch „Erste Hilfe für Demokratie-Retter“ ein. Das Urteil für den WDR tätigen Journalisten ist vernichtender. Sie sind faul, denkfaul, um präzise zu sein. AfD-Wähler, zumindest in Wiebickes Welt, verfolgen aktuelle Entwicklungen in der Politik nicht und wollen Hintergründe partout nicht durchschauen. Dieses Phänomen sei – Trommelwirbel – vor allem im Osten der Republik verbreitet. Aber nicht alles ist verloren. Defätismus lehnt Wiebicke ab. Um nun die Demokratie zu retten, brauche es couragierte Menschen, etwa wie all jene, die nach der Correctiv-Deportationslüge „gegen Rechts“ auf die Straße gingen. Dieser gemeinsame Kampf für die Lebensform Demokratie sei für nicht wenige eine Eruption positiver Gefühle gewesen. Wichtiger aber ist das Engagement im Kleinen. Das gilt natürlich nicht für Aktivisten mit falscher Gesinnung. Wenn neurechte Gruppierungen wie die „Identitäre Bewegung“ im Kleinen Einfluß nehmen, sei das schlecht. An nicht wenigen Stellen fällt das Erste-Hilfe-Büchlein durch logische Denkfehler auf. Dennoch zaubert das offenbarte, fast kindhaft-naive Politikbild eines 62jährigen unfreiwillig das eine oder andere Schmunzeln ins Gesicht. (sv)
Jürgen Wiebicke: Erste Hilfe für Demokratie-Retter. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024, broschiert, 112 Seiten, 12 Euro
Schuld und Sühne. Es lohnt sich mehr denn je, ein Opfer zu sein – denn die Opferrolle ist heute eine wertvolle Waffe im politischen Kampf. Vor allem Deutschland bekommt das schmerzhaft zu spüren und bleibt aufgrund aufgezwungener Schuldkomplexe unfähig, der Opferrolle anderer etwas entgegenzusetzen. So lautet die Diagnose von Friedrich Eckard Bauer. In seinem jüngsten Buch über „Opfermythen und kollektive Psychosen“ wird der langjährige Arzt zum Exorzisten der Nation. Er stellt fest, Deutschland sei von vier „Dämonen“ besessen: der Kollektivschuld, der Vergangenheitsbewältigung, der Werteweitergabe-Blockierung und der Einzigartigkeit des Holocausts. Die Probleme sowie Diskurse der heutigen Bundesrepublik über Klimawandel oder Migration hält er für eine Folge dieser Dämonen. Nur wenn sich Deutschland von diesen befreie und die NS-Zeit angemessen historisiere, könne es eine souveräne und interessengeleitete Politik führen. Bauers Buch beinhaltet nicht nur die etwas schlichte Diagnose und den Ruf nach Besinnung, sondern eine Ansammlung tagesaktueller Kommentare und bunte Interpretationen historischer Ereignisse. (kuk)
Friedrich Eckard Bauer: Deutschland im Schuld- und Sühnewahn. Von Opfermythen und kollektiven Psychosen. Lindenbaum-Verlag, Beltheim-Schnellbach 2024, broschiert, 166 Seiten, 19,80 Euro