Für den Wirtschaftsjournalisten Carsten Korfmacher sind Litauen, Lettland und Estland Leuchttürme des Liberalismus. Geprägt durch freie Wirtschaft, geringe Staatsverschuldung, niedrige Steuersätze, schlanke Verwaltung, perfekte digitale Infrastruktur, Eigenverantwortung fordernde Sozialsysteme. Darin unterscheide sich das Baltikum von den „neuen Bundesländern“, wo „liberale Einstellungen einen schweren Stand haben“, wie Wahlerfolge von AfD und BSW sowie die Atomisierung der FDP zeigten. Zu erklären sei das nur historisch. Das kollektive Trauma sowjetischer Okkupation habe das Selbstverständnis der Balten ungleich tiefer geprägt als das der Mitteldeutschen. Im Baltikum hätten die Russen versucht, eigenständige Völker in Sprache und Kultur auszulöschen. In der halbwegs souveränen DDR hätten die meisten Bürger hingegen nicht gespürt, wie fremdbestimmt sie waren, während im Baltikum nahezu jede Familie russische Repressionen erlitten habe (Cicero, 11/2024). Darum sei nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und der Rückgewinnung der Eigenstaatlichkeit der Liberalismus als identitätsstiftendes und staatsordnendes Konzept erneut zur Grundlage nationaler Identität geworden. Womit die Balten an Jahrhunderte des Freiheitskampfes gegen die Großmächte des Ostseeraums anknüpften. (dg) www.cicero.de