Das Gefecht, das am 10. November 1914 nahe dem belgischen Ort Langemarck (nördlich von Ypern) stattfand, ist auf deutscher Seite bis heute in lebendiger Erinnerung. Dies liegt nicht nur an dem Mythos, der sich um diesen verlustreichen Kampf gebildet hat und der oft in Frage gestellt wurde.
Erich von Falkenhayn, Chef der Obersten Heeresleitung (OHL), versuchte nach der Schlacht an der Marne, die von der deutschen Seite verfrüht abgebrochen worden war, die deutsche Offensive im Westen mit neuer Strategie und neuem Elan zu beleben. Er wollte die Streitkräfte der Alliierten in einer großräumigen Umfassungsschlacht zwischen der Oise und der Kanalküste doch noch in die Knie zwingen: Der „Wettlauf zum Meer“ begann. Der gleichzeitige Versuch Falkenhayns, auf dem linken Flügel im Südwesten zwischen Toul und Verdun nach Frankreich durchzubrechen, scheiterte ebenso wie Ende September 1914 seine nordwestliche Offensive. Für die von ihm angestrebten Ziele reichten die deutschen Truppen genausowenig aus wie die Artilleriemunition. Ein weiterer offensiver Anlauf, zwischen Lille und der Nordsee unternommen, blieb gleichfalls ohne Erfolg. Immerhin konnte am 9. Oktober Antwerpen erobert werden, so daß die dort bei der Belagerung tätigen Kräfte zum Einsatz gegen die feindliche Front frei wurden.
Langemarck war die prägnantere Ortsbezeichnug als Bixschoote
Falkenhayn war entschlossen, im Westen doch noch einen Erfolg zu erzwingen. Deshalb zog er nun sechs neue, ungenügend ausgebildete Reservekorps heran, deren Soldaten noch nicht über Fronterfahrung verfügten. Diese Streitmacht, die vorrangig aus jungen Kriegsfreiwilligen (Abiturienten, Studenten) gebildet worden war, ließ er vom 20. Oktober 1914 an in dem schlammigen Gelände der flandrischen Region Ypern/Yser gegen die Verteidigungspositionen des britischen Expeditionskorps anrennen. Dabei war nicht nur das Terrain für Infanterieangriffe völlig ungeeignet, Falkenhayn ließ die jungen Soldaten auch ohne genügende Artillerieunterstützung losstürmen. So blieben sie schließlich im Feuer der britischen Maschinengewehre liegen. Der Blutzoll, den diese „Blüte deutscher Jugend“ damals bezahlte, war schauderhaft. Um die 2.000 Tote kostete allein der deutsche Durchbruchsversuch, der am 10. November 1914 bei Langemarck unternommen wurde und durch den nur wenige Kilometer Geländegewinn erzielt wurden.
Der deutsche Heeresbericht vom 11. November 1914 rühmte die „jungen Regimenter, die westlich Langemarck“ gegen die feindlichen Linien angestürmt waren. „Westlich Langemarck“ lag, fünf Kilometer entfernt, das Dorf Bixschoote. Doch „Bixschoote“, so schreibt Karl Unruh 1986 in seinem Buch „Langemarck. Legende und Wirklichkeit“, „eignete sich wohl kaum zum Weitersagen. Man brauchte den Namen Langemarck, der wie Bismarck oder Königsmarck etwas Ehernes und Kerniges an sich hat“. Wie auch immer, die jungen deutschen Soldaten marschierten laut genanntem Heeresbericht mit dem Gesang „Deutschland, Deutschland über alles“ unerschrocken in ihren Tod. Kaiser Wilhelm II. war gerührt. „Selten“, sagte der Monarch feierlich, habe „etwas einen so tiefen Eindruck gemacht“. Der Führung des Deutschen Reichs – vor allem der militärischen – stand es allerdings nicht so gut an, das Hinschlachten zu verherrlichen und die eigene Verantwortung für das erfolgte Gemetzel hinter dem Abglanz des Heldentums der Gefallenen zu verstecken. Letzteren jedoch gebührt auch und gerade heute in anbetracht der Zeitenwende ein bleibendes Gedenken in Ehre – ein Gedenken ihrer in unseren Tagen fast gar nicht mehr verstandenen menschlichen Größe und ihres Opfermuts.
Wie zu erwarten, sind politisch links stehende Medien wie das Nachrichtenmagazin Spiegel bemüht, die Geschehnisse um Langemarck als profan und für nationale MythenbiIdung nicht geeignet darzustellen. Es wird darauf verwiesen, daß in dem vom Reichsarchiv bearbeiteten Kompendium ,,Der Weltkrieg 1914–1918. Die militärischen Operationen zu Lande“ nur in einem Halbsatz („in jenen ersten Kampftagen“) angemerkt ist, es sei „mehrfach das Deutschland-Lied ertönt“. Bei der Beschreibung der Schlacht von Langemarck in Band 6 aber fehle ein solcher Hinweis. Nicht ohne eine unterschwellige Boshaftigkeit fragt der Spiegel (Ausgabe 24/1986): ,,War es nationales Hochgefühl, das sich Luft machte, wie vielfach zu lesen steht? Oder sangen Landser ‘Deutschland über alles’, um sich – so eine Version – im flandrischen Nebel zurechtzufinden, Anschluß zu halten an den Vorder- und Nebenmann? Oder um – so eine andere Version, überliefert von einem Weltkrieg-I-Veteranen – ‘den inneren Schweinehund’ zu betäuben?“
Briten beobachteten singende Soldaten mit Studentenmützen
Wenn der Spiegel behauptet, die Legende um Langemarck (das sich heute übrigens nur noch „Langemark“ schreibt) sei nach dem Ersten Weltkrieg erst so richtig aufgeblüht, weil sie eben die „hurrapatriotische Stimmungslage derer, die den Krieg nur durch die Heimtücke vaterlandsloser Gesellen verloren wähnten“, bedient habe, läßt sich eine Beobachtung von feindlicher Seite entgegenstellen. Die englische Journalistin Lyn Macdonald schrieb in ihrem 1987 erschienenen Buch „1914“ über die deutschen Soldaten bei Langemarck: „Erstaunte Beobachter in den britischen Linien sahen, daß sie Arm in Arm vorrückten, und neben nachdrücklich gebrüllten Befehlen konnten sie andere Stimmen hören, welche sangen. Ungläubig starrten sie durch ihre Ferngläser und konnten (...) sehen, daß die Mützen, welche sie zu den feldgrauen Uniformen trugen, nicht die vorschriftsmäßige Kopfbedeckung deutscher Soldaten auf dem Schlachtfeld waren. Sie trugen die Mützen deutscher Studenten, und die jungen Soldaten des Kaisers trugen sie nun auf dem Weg in die Schlacht, genauso wie sie sie beim Schlendern durch die Straßen Heidelbergs trugen – um der Welt zu zeigen, daß sie eine Gemeinschaft von Brüdern waren.“
Foto: Deutsche Soldaten marschieren in Belgien westwärts, Herbst 1914: „Eine Gemeinschaft von Brüdern“