Selbstveredelungsversuche des Menschen reichen bis in die antike Diätetik zurück, fußen also auf der von der hippokratsichen Medizin begründeten Lehre von einer gesunden Lebensweise. Der jüngste Innovationszyklus nennt sich, je nach Diskurs und Vorliebe, Lifelogging, Personal Data, digitale Selbstvermessung oder Self-Tracking. Mittels miniaturisierter Sensoren in tragbaren Datenaufzeichnungsgeräten wie Fitneßarmbändern oder Smartwatches werden Orts-, Zeit- und Körperdaten zu Schlaf und Kalorienverbrauch, Blutdruck und Glukosewerten, gar zu Emotionen wie Angst und Motivation gesammelt. Solche „Selbstvermessung“ findet nach Einschätzung Stefan Selkes (Professor für Gesellschaftlichen Wandel und Forschungsprofessor für Transformative und Öffentliche Wissenschaft an der Hochschule Furtwangen) heute als „popularisierte Alltagspraxis“ statt. Digitaltechnik verwandle Körperzustände in Datenmaterial, um daraus Handlungsanweisungen abzuleiten. Das eigene Leben werde in einer sich gerade ausbildenden „metrischen Gesundheitskultur“ zum „Optimierungsprojekt“. Mit der Folge, daß die Verdatung und Quantifizierung des individuellen Lebens Anpassungszwänge verstärkt, da deskriptive Daten normative gesellschaftliche Erwartungen an „richtiges Gesundheitshandeln“ erzeugen. Damit könnte sich langfristig ein „defizitorientiertes Organisationsprinzip des Sozialen“ durchsetzen. Marktkonforme Selbstoptimierung schlüge dann um in Selbstentmündigung, wie sie sich mit der moralischen Aufladung von Lebensführung in woken Verdachts- und Verbotskulturen ausprägt (Aus Politik und Zeitgeschichte, 36/37-2024). (dg) www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz