© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/24 / 08. November 2024

Beharrliche Verweigerung
Immobilien: Die gestiegene Grunderwerbsteuer ist ein großes Hemmnis für die Wohneigentumsbildung
Stefan Kofner

Die Grunderwerbsteuer steht seit langem in der Kritik, weil sie ein wesentliches Hemmnis für die Wohneigentumsbildung ist. Während private Grundstückskäufe zur Selbstnutzung mit bis zu 6,5 Prozent vom Kaufpreis belastet werden, können die Käufer großer Immobilienpakete diese Steuer nach wie vor durch steuerliche Gestaltungen gänzlich vermeiden. Bei diesen „Share Deals“ werden nicht Immobilien, sondern Anteile an den Kapitalgesellschaften gehandelt, die die Immobilien halten. Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag deutliche Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Wohneigentum in Aussicht gestellt, die durch das Schließen der steuerlichen Schlupflöcher beim paketweisen Immobilienerwerb von Konzernen gegenfinanziert werden sollten.

Mitte letzten Jahres hatte Finanzminister Christian Lindner einen Gesetzentwurf an die Länderfinanzminister verschickt, der den Ländern einen ermäßigten Steuersatz für Ersterwerbe von Wohneigentum ermöglicht hätte. Geschehen ist bis heute nichts. Große Aufregung hat zuletzt die vollständige Übernahme der Deutsche Wohnen durch die Vonovia verursacht. Die Vonovia glaubt trotz des Erwerbs der ihr noch fehlenden 13 Prozent der Aktien der Deutsche Wohnen die Grunderwerbsteuer auf die Transaktion vermeiden zu können, indem sie 20 Prozent ihrer Anteile in ein Joint-venture mit dem Finanzinvestor Apollo einbringt. Sie kann so unter der kritischen Beteiligungsschwelle von 90 Prozent bleiben, die für die Grunderwerbsteuerpflicht der Transaktion maßgeblich ist.

Fast alle Länder haben kräftig an ihrer Steuerschraube gedreht

Eine Entlastung der privaten Selbstnutzer hätte Deutschland bitter nötig, denn das „Mieterland“ Deutschland ist bei der Wohneigentumsquote mit Abstand das Schlußlicht in der EU, und der Anteil der Menschen, die im Wohneigentum leben, ist bei uns zwischen 2019 und 2023 sogar deutlich von 51,1 auf nur noch 47,6 Prozent gefallen. Seit dem Auslaufen des Baukindergeldes Ende März 2021 gibt es keine wirksame Wohneigentumsförderung für breite Schichten der Bevölkerung mehr. Dagegen hat sich die Erschwinglichkeit von Wohneigentum wegen des heftigen Anstiegs der Zinsen und Baupreise seit 2021 dramatisch verschlechtert, während die Belastung durch die Grunderwerbsteuer ständig zugenommen hat.

Das haben wir der unstillbaren Gier der Länder nach Steuereinnahmen zu verdanken, die durch die seit 2011 geltende Schuldenbremse noch verschärft wurde. Die früher nur als Grundwechselabgabe oder Urkundenstempel erhobene Grunderwerbsteuer wurde erst 1919 als Reichssteuer eingeführt. 1983 wurde die Bemessungsgrundlage der Steuer erweitert und das selbstgenutzte Wohneigentum mit einbezogen. Gleichzeitig wurde der Steuersatz von sieben auf bescheidene zwei Prozent gesenkt.

Nachdem die Länder im Rahmen der Föderalismusreform 2006 das Recht erhalten hatten, den Steuersatz selbst festzusetzen, haben fast alle kräftig an der Steuerschraube gedreht. Ausgehend von 3,5 Prozent im Jahr 2006 sind wir heute fast wieder bei sieben Prozent angelangt, jetzt aber ohne Befreiung für das Wohneigentum: Die Steuersätze liegen abgesehen von Bayern und Rheinland-Pfalz inzwischen überall zwischen fünf und 6,5 Prozent. Das Steueraufkommen hat sich zwischen 2009 und 2021 real verdreifacht. Dazu hat auch die Verdoppelung der Hauspreise in den 2010er Jahren beigetragen. 2021 haben sich die Länderfinanzminister über Rekordeinnahmen von 18,33 Milliarden Euro freuen dürfen. Inzwischen ist das Aufkommen wegen des Einbruchs bei den Transaktionen jedoch um ein Drittel zurückgegangen.

Die Grunderwerbsteuer ist eines der größten Hemmnisse für die Wohneigentumsbildung in Deutschland. Wenn eine Familie in Köln ein bescheidenes Einfamilienhaus mit 130 m² Wohnfläche für 5.000 Euro pro m² kauft, kostet sie das knapp 650.000 Euro. Bei einem Steuersatz von 6,5 Prozent fallen dann noch 42.250 Euro Grunderwerbsteuer an, die in der Regel aus eigenen Mitteln finanziert werden müssen. Damit wird für viele Familien die Eigenkapitalhürde unüberwindbar.

Es kommt hinzu, daß bei Neubauten neben dem Grundstückskaufpreis auch die Baukosten grunderwerbsteuerpflichtig sind, wenn der Bauträger oder der Architekt in die Grundstücksbeschaffung involviert war. Die Baukosten sind aber schon mit Mehrwertsteuer belastet, so daß es sich hier um eine unverfrorene Doppelbesteuerung handelt.

Wohneigentum wurde für die Mittelschicht unerschwinglich

Davon abgesehen verteuert die Grunderwerbsteuer natürlich auch die Grundstücksbeschaffung für den Mietwohnungsbau. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat in einem Gutachten vorgerechnet, daß eine Reduzierung der Grunderwerbsteuersätze um 50 Prozent die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern würde. Damit würde sich zeitverzögert auch die Bautätigkeit beleben. Forscher der Deutschen Bundesbank hatten schon 2020 die Auswirkungen verschiedener Instrumente zur Steigerung der Wohneigentumsquote in einem quantitativen Modell untersucht und dabei festgestellt, daß eine radikale Reduktion des Steuersatzes der Grunderwerbsteuer mit Abstand den stärksten Effekt hätte.

Angesichts der miserablen Wohnungsbaukonjunktur und der verbreiteten Unerschwinglichkeit von Wohneigentum für die Mittelschicht muß die Ampel zusammen mit den Länderfinanzministern endlich wieder auf der Baustelle Grunderwerbsteuer aktiv werden. Der Erwerb – nicht nur der Ersterwerb – angemessenen Wohneigentums sollte von dieser Steuer dauerhaft völlig freigestellt werden. Außerdem muß beim Erwerb von Baugrundstücken für die Mietwohnbebauung zumindest vorübergehend eine Entlastung von der Grunderwerbsteuer erfolgen, um den Neubau zu beleben.

Die Reform ist auch eine Frage der Steuergerechtigkeit. Niemand versteht, wieso bei großen Immobilienpakettransaktionen keine Grunderwerbsteuer anfällt, während die kleinen Häuslebauer geschröpft werden.


 iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-auswirkungen-einer-greunderwerbsteuersenkung-auf-die-neubaunachfrage.htm

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