Wer in einem historisch bedeutsamen Gebäude arbeitet, ist sich dessen wahrscheinlich nicht permanent bewußt. Der Streß im Beruf und die ganz alltägliche Routine lassen entsprechend tiefgreifende Gedanken in aller Regel gar nicht zu. Jahrestage, zumal „runde Jubiläen“, mögen da Anlaß für Ausnahmen bieten.
Beispiel Bundestag: Wer hier tätig ist oder ihm gar als gewähltes Mitglied angehört, für den ist es völlig normal, vom Plenarsaal im Reichstag oder aus einem der Sitzungsräume im Paul-Löbe-Haus (PLH) ins Jakob-Kaiser-Haus (JKH) mit seinen zahlreichen Büros – und der Kantine – zu gehen. Das ist stets trockenen Fußes und ohne Umstände möglich, dem Tunnelsystem sei Dank, welches die Gebäude unterirdisch miteinander verbindet. Unbewußt passiert man dabei eine früher streng bewachte Grenze. Denn der Reichstag und das PLH liegen im einstigen Berlin-West, das JKH im früheren Ostteil der Stadt. Die Mauer, an der zwischen 1961 und 1989 insgesamt mindestens 136 Menschen bei Fluchtversuchen zu Tode kamen, verlief mitten über den heutigen Friedrich-Ebert-Platz, direkt am Ostportal des Wallotschen Parlamentsgebäudes. Im Boden finden sich heute Markierungen, die diese alte, glücklicherweise überwundene Trennlinie markieren.
Doch nicht nur am Ort der Legislative läßt sich deutsch-deutsche Vergangenheit aufspüren. Auch am Dienstsitz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beispielsweise. Dort, im einst als Reichsluftfahrtministerium während der NS-Diktatur errichteten Bau, erklärte sich am 7. Oktober 1949 der „Deutsche Volksrat“ zur „Provisorischen Volkskammer“ und rief die „Deutsche Demokratische Republik“ aus, die vierzig Jahre später dann ihr längst überfälliges Ende fand. Und genau davor versammelten sich am 17. Juni 1953 etwa 10.000 Demonstranten, um das lautstark – „Berliner, reiht euch ein, wir wollen freie Menschen sein!“ – einzufordern, was die Massenproteste 1989 schließlich erfolgreich durchsetzen konnten: freie Wahlen und die deutsche Einheit.
Im heutigen Auswärtigen Amt am Werderschen Markt befand sich zwischen 1959 und 1990 das Zentralkomitee der SED, das eigentliche politische Machtzentrum der DDR. Das Bundesministerium für Gesundheit ist in das einstige DDR-Innenministerium – ursprünglich im 19. Jahrhundert als Hauptsitz der Deutschen Bank errichtet – gezogen, wo Anfang November 1989 die neuen Reiseregelungen erdacht wurden. Mit dem Ziel, den „Druck aus dem Kessel“ zu nehmen, um so die DDR zu stabilisieren. Tatsächlich jedoch wurde damit ihr Ende eingeläutet.
Besonders Bedeutsames spielte sich am Tag des Mauerfalls vor 35 Jahren im heutigen Bundesjustizministerium ab. Dort befand sich einst das Presseamt der DDR, in dessen Konferenzraum SED-Funktionär Günter Schabowski jene lapidaren, doch folgenreichen und somit legendär gewordenen Worte stammelte: „Das tritt nach meiner Kenntnis, äh, ist das sofort, unverzüglich ...“