© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/24 / 08. November 2024

Habecks nächstes Gesetz
Raus aus der Ampel!
Regierungsveranwortung: Die Liberalen enttäuschen in ihrer Kernkompetenz
Thomas L. Kemmerich

Die Ampel muß für die FDP von Gelb auf Rot springen. Was für Deutschland, für die deutsche Volkswirtschaft, was für Wohlstand und Wachstum gut und wichtig ist, läßt sich mit Rot und Grün nicht umsetzen. Jeder Tag, den die Ampel weiter regiert, verschlechtert Deutschlands Lage. Wir sind im zweiten Jahr der Rezession. Die Wachstums­impulse kommen nicht. Der alte Spruch von Ludwig Erhard (CDU) „Fünfzig Prozent der Wirtschaft ist Psychologie“ gilt. Die Stimmung ist auf einem Tiefpunkt. Mahnende Worte, etwa des Chefs der Deutschen Börse, wurden ignoriert. Unternehmen investieren nicht mehr in Deutschland, sondern außerhalb, bei unseren Nachbarn, in Polen, Ungarn, Rumänien. Und wenn sie erst einmal dort sind, kommen sie über lange Zeit nicht zurück. Das läßt sich nicht einfach umkehren.

Die FDP muß sofort aus der Ampel austreten und dann mit einer klaren Fokussierung auf Wirtschaftsthemen um Vertrauen bei den Bürgern für die nächste Bundestagswahl werben, wie es jetzt auch FDP-Chef Christian Lindner mit seinem 18-Seiten-Papier getan hat. Zur Durchsetzung seiner Wirtschaftswende-Punkte, die in einer Marktwirtschaft Konsens sein sollten, braucht es einen neuen Partner, der meiner Meinung nach nur in der Union zu finden ist. Es wird höchste Zeit, diesen Schritt zu gehen. Unser Auftrag lautet: Deutschland stark machen!

Es ist leicht zu sagen, daß es ein Fehler war, in die Regierungsverantwortung zu gehen, nachdem der heutige Finanzminister 2017 sagte: „Es ist besser nicht zu regieren als falsch zu regieren“. So leicht möchte ich es mir und uns nicht machen. Aber sicher ist, es ging alles zu schnell. Man wollte möglichst eilig eine neue Regierung. Das Koalitionspapier wurde hastig und überstürzt verhandelt. Da klebten zwar viele gelbe Etiketten darauf, aber das meiste war nicht einklagbar. Durch die Konstellation, daß die Grünen am Ende die Schlüsselressorts Wirtschaft und Außenpolitik besetzten, konnte Robert Habeck massiv der Wirtschaft schaden und dafür Sorge tragen, daß die Kernkraftwerke abgeschaltet wurden. Die Außenministerin Annalena Baerbock handelt permanent nicht im Erbe von Scheel, Genscher und Westerwelle, sondern in der Art, daß die Welt bestenfalls mit Kopfschütteln auf ihre Initiativen reagiert wird. Diese Dinge sind so weit weg von liberaler Politik, daß wir in unserer Kernkompetenz die Wähler im großen Maße enttäuscht haben.

Nach dem Angriffsüberfall Rußlands auf die Ukraine wurden die Probleme des Koalitionsvertrags sichtbar wie unter einem Brennglas. Da hätte man den Koalitionsvertrag neu verhandeln müssen. Durch die Einschnitte in die Weltwirtschaft und die Sicherheitslage war das Vertragswerk hinfällig geworden. Man hätte auf dem Höhepunkt der Krise nie zustimmen dürfen, die sicheren Energieformen abzuschalten und den Marktmechanismus zu ruinieren, indem man Gas auf dem Markt kaufte, egal wie teuer es ist. Man denke nur an die Ölpreisumlage, Gaspreisbremsen, oder das GEG, das sogenannte Heizungsgesetz, das die FDP zwar noch gerettet hat, aber das es nicht gebraucht hätte und das den Bürgern teils schlaflose Nächte beschert hat. Das sind massive Fehlentscheidungen. Hinzu kommen weitere Dinge, die aus liberaler Sicht nicht tragbar sind und die in Lindners Papier nicht erwähnt sind: das Selbstbestimmungsgesetz, wie es jetzt in Kraft getreten ist, das Entstehen von sogenannten Meldestellen und die üppige Ausstattung diverser Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die links-grüne Parteipolitik machen, bezahlt aus Steuergeld.

Wir, aus den Landesverbänden der FDP, warnten die Bundestagsfraktion, aber wir bekamen keine Rückmeldung aus Berlin. Kein „wir verstehen euch“. Wir, die Landesverbände, wurden nur informiert, nach dem Motto: So machen wir das in Berlin. Aber daß man in ernsthafter Weise, gerade bei Heizungsgesetz oder Atomausstieg, sich auch nur Rat von der Basis geholt hat – das gab es nicht. Deshalb schrieben wir im April dieses Jahres ein Zwölf-Punkte-Programm zur Stärkung der deutschen Wirtschaft. Wir von der Basis haben ebenfalls im April ein schnelleres und härteres Durchgreifen bei der Migration gefordert. Wir haben immer die Stimmung über die Migrationspolitik nach Berlin transportiert. Die Wähler sagten uns vor Ort: Entweder knipst ihr die Ampel aus, oder wir knipsen euch aus.

Ich denke, daß die Bevölkerung froh ist, daß es jetzt das Lindner-Papier gibt, das eine Erweiterung unseres Papiers aus dem April ist. Mittelständler, mit denen ich mich in den letzten Tagen unterhielt, bestätigen: Das ist es, was wir in Deutschland brauchen, um wieder Prosperität zu erschaffen! Wie können wir Krankenstände reduzieren? Die Idee, mit immer noch weniger Arbeit etwas zu erreichen – das funktioniert so nicht. Die Tarifabschlüsse folgen der Produktivität nicht mehr. Die Sozialbeiträge fliegen uns um die Ohren. Wir stoßen mit Lindners Papier zur Wirtschaftswende den Neustart für die Wirtschaft an, wie vor vierzig Jahren Otto Graf Lambsdorff als Wirtschaftsminister, wie vor zwanzig Jahren Kanzler Gerhard Schröder. Höchste Zeit, daß Deutschland sich auf seine Stärken besinnt.

Im November steht die Herausforderung der Verabschiedung eines verfassungskonformen Haushalts an, ohne den eine Regierung eben keine Regierung ist. Diesen Monat muß der Haushalt stehen. Diese Aufgabe ist mit dieser Regierung nicht lösbar. Es ist ohnehin eine Finanzlücke von zwölf Milliarden enthalten, die der Verfassung widerspricht. Es kommt jetzt noch das Loch aus der Steuerschätzung dazu, das sind weitere acht Milliarden für 2024. Und da sind in meinen Augen noch Luftbuchungen drin, also beispielsweise zu optimistische Ansätze beim Bürgergeld.

Wir haben vom 11. bis 14. November die Haushaltssitzung, an der der Haushaltsbeschluß geplant ist. Ich hoffe, daß die FDP keinem Haushalt zustimmt, der droht, den Boden der Verfassung zu verlassen. Insofern ist das die Nahtstelle, an der die Ampel auseinanderzubrechen droht. Es ist zu hoffen – für Deutschland.


Thomas L. Kemmerich, Ministerpräsident a.D., ist FDP-Vorsitzender in Thüringen.