Es soll die größte Medienreform in der Bundesrepublik werden, doch was die Ministerpräsidenten da Ende vergangener Woche in Leipzig gebacken bekommen haben, sind lediglich ganz kleine Brötchen. Zumal die zentrale Frage des Rundfunkbeitrags mal wieder vertagt wurde und die dabei nun im Raum stehende Lösung zwar einen radikalen Einschnitt bedeuten würde, aber nicht im Sinne einer echten Reform mit den Zuschauern im Blick, sondern vielmehr als Putsch von oben gegen die Beitragszahler.
Dennoch haben die Länderchefs erst einmal eine auch aus ihrer Sicht erforderliche „grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR)“ beschlossen. Ziel sei es, „ARD, ZDF und Deutschlandradio digitaler, schlanker und moderner aufzustellen und ihre Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern zu stärken.“ Dafür soll auch der Rotstift angesetzt werden. Von 70 Hörfunkwellen sollen 53 übrigbleiben. Von den Bildungs- und Informationssendern „Phoenix, „tagesschau24“, „ARD Alpha“ und „ZDF info“ sollen nur zwei erhalten bleiben. Von den Kinder- und Jugendprogrammen „KiKa“, „Funk“, „ZDF neo“ und „ARD One“ sollen drei weiterhin bestehen, wobei der „Kinderkanal“ und „Funk“ als Wunschkandidaten gesetzt sind und „ZDF neo“ und „ARD One“ miteinander verschmelzen sollen. Allerdings hat alleine das „Funk“-Netzwerk Dutzende Formate und Social-Media-Kanäle.
Sender und Verbände protestieren gegen die Pläne
Die Rundfunkanstalten können selbst entscheiden, was ab 2027 wegfällt. Die eigentlich geplante Zusammenlegung von Arte und 3sat, die im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz für Widerstand gesorgt hatte, wurde aufgeweicht und eine Fusion ausdrücklich nicht beschlossen. Stattdessen wurde perspektivisch eine europäische Kulturplattform angeregt, „die aus dem heute schon bekannten Angebot von Arte und auch möglicherweise 3sat“ bestehen könnte, so der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission Alexander Schweitzer (SPD).
Die Kosten für Sportrechte sollen den Länderchefs zufolge auf fünf Prozent der Gesamtausgaben von ARD und ZDF gedeckelt werden. Dies würde jedoch lediglich die Beibehaltung des bisherigen Status quo bedeuten. Außerdem wurde festgelegt, daß sich die Bezahlung künftig an der Vergütung des öffentlichen Dienstes orientieren soll. Kurz vor dem Treffen in Sachsen hatten die Gehälter der Spitzenposten für Negativschlagzeilen gesorgt. So verdiente etwa WDR-Intendant Tom Buhrow im vergangenen Jahr 413.100 Euro. Auf Platz zwei der Top-Verdiener landete der SWR-Intendant und aktuelle ARD-Vorsitzende Kai Gniffke mit 392.530 Euro. NDR-Intendant Joachim Knuth folgt mit 356.178 Euro.
Das Treffen in Leipzig war gerade erst beendet, da trudelte bereits die erste Kritik an den „beschlossenen“ Vorhaben ein. Daß der ÖRR im Internet künftig weniger presseähnliche Texte anbieten und sich lieber auf Audio und Video konzentrieren soll, mißfällt nicht nur den Anstalten, sondern auch der Europäischen Rundfunkunion. Sie fordert, „der ÖRR muß sich an die digitale Medienlandschaft anpassen, um sein Publikum abzuholen“. Es sei nicht belegt, „daß die Onlinenachrichten des ÖRR sich negativ auf das Geschäftsmodell der Printmedien auswirken“. Die deutsche Politik müsse die Beschränkungen des Digitalangebots des ÖRR, wie sie im Entwurf zum Reformstaatsvertrag enthalten seien, daher dringend überdenken. Auch die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redaktionsausschüsse Agra bemängelt die Reformvorhaben als „rückwärtsgewandt und weltfremd“.
In trockenen Tüchern scheint also noch gar nichts. Zumal die Entscheidung über eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags in den Dezember verschoben und damit de facto vorerst gestoppt wurde. Für die am 1. Januar startende neue Beitragsperiode hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eigentlich eine Anhebung der monatlichen Zwangsgebühr um 58 Cent auf 18,94 Euro gefordert. „Wir leben im zweiten Jahr einer Rezession, da müssen alle Maß halten“, stellte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jedoch klar. „Erst kommen die Reformen, dann kommt das Thema Gebühren.“
Doch die Senderverantwortlichen und Verbände laufen Sturm und drohen mit einem erneuten Anruf des Bundesverfassungsgerichts wie 2021. „Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Länder auch in der ungeklärten Frage der Anpassung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2025 eine Entscheidung getroffen hätten“, schrieb ARD-Chef Gniffke in einer Stellungnahme. „Wir werden prüfen, was das für die ARD bedeutet, inhaltlich und juristisch.“ Für den Deutschen Journalisten-Verband richten die Ministerpräsidenten „einen gewaltigen Flurschaden an“. „Hier wird die Axt an die Wurzeln des qualitativ hochwertigen Rundfunkjournalismus in Deutschland gelegt“, kritisierte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster und empfahl den Sendern, „die Verfassungsmäßigkeit der gefaßten Beschlüsse überprüfen zu lassen“.
Angesichts des Drucks, des bevorstehenden Streits in den Landtagen und eines letztlich zu erwartenden positiven Urteils aus Karlsruhe bahnt sich ein faules Spiel an. So soll der Rundfunkbeitrag bis 2027 tatsächlich erstmal nicht steigen, aber danach per Verordnung festgesetzt werden. Wie die FAZ berichtet, sollen alle Länderchefs mit dem Plan einverstanden sein, wollen ihn aber noch nicht offiziell preisgeben. Zuerst können sich die Regierungschefs – insbesondere aus den GEZ-kritischen östlichen Bundesländern – also als starke Gegner einer Beitragserhöhung inszenieren, die sich durchgesetzt hätten. Doch dann, wenn die Reformdebatte abgeflaut ist, greift die „Beitragsfestsetzung durch Verordnung“, bei der die für viele nervige Interventionsmöglichkeit der Landtage und ihrer Fraktionen ausgeschaltet ist. Denn bei diesem Finanzierungsprozedere wird die Empfehlung der KEF per Erlaß festgelegt, wenn sie in der Größenordnung der allgemeinen Inflationsrate liegt. Ein Automatismus, der die Länder – eigentlich in erster Linie für die Medienpolitik verantwortlich – entmachtet.
Zustimmung der Länderparlamente dann nicht mehr nötig
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Option beim jüngsten Streit vor drei Jahren selbst ins Spiel gebracht. Zwar soll es eine Vetomöglichkeit für Bundesländer geben, die mit der KEF-Berechnung nicht einverstanden sind und für diesen Fall zum alten Ratifizierungsverfahren temporär zurückkehren wollen, allerdings würde der „Systemwechsel“ die Exekutive stärken und die Oppositionsparteien in den Landesparlamenten schwächen.
Unabhängig davon ist noch gar nicht geklärt, ob ARD und ZDF überhaupt mitspielen und bis 2027 auf höhere Beitragseinnahmen verzichten würden. Der Zoff um das „Reförmchen“ geht also bis zum Treffen Mitte Dezember weiter, bei dem das alternative Modell festgezurrt werden könnte. Einige Unions-Ministerpräsidenten warnen bereits die Öffentlich-Rechtlichen, das Bundesverfassungsgericht voreilig einzuschalten, um eine Beitragserhöhung zum Jahresanfang durchzusetzen. Von einer Abschaffung der Zwangsgebühr, in den Augen vieler Zahler und Zuschauer die einzig wahre Reform, ist die deutsche Politik jedenfalls meilenweit entfernt.