© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/24 / 01. November 2024

Maischberger, Riefenstahl und „Alles für Deutschland“
Nachtseiten faschistischer Ästhetik

In 700 Kisten verwahrt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Berliner Staatsbibliothek und der Kinemathek den Nachlaß der Filmkünstlerin Leni Riefenstahl (1902–2003). Auf dieses wissenschaftlich nicht erschlossene Material durfte die TV-Journalistin und Produzentin Sandra Maischberger exklusiv zugreifen, um es zusammen mit dem Regisseur Andres Veiel für einen Dokumentarfilm zu verwerten, der am 31. Oktober ins Kino kommt (Seite 16 dieser Ausgabe). Wie Maischberger im Gespräch mit Nordelbiens Monopolpresse betont, gehe es ihr nicht darum, abermals Riefenstahls Lügen über ihre Distanz zum NS-Regime zu widerlegen, ihre Selbstinszenierung als „unpolitische Künstlerin“ zu zerpflücken oder sie als „brutale Egozentrikerin“ zu entlarven (Schleswig-Holstein am Wochenende, 43/2024). Solche „Entmythologisierungen“ besorgten 2020 abschließend Nina Gladitz’ Arbeiten zur „Karriere einer Täterin“, deren Ambitionen ihre Fähigkeiten, die sich darauf beschränkten, Talente anderer für sich auszubeuten, weit überschritten. Maischbergers Opus zielt daher nicht auf Vergangenheitsbewältigung, sondern auf Beteiligung am „Kampf gegen Rechts“. Zeigten doch viele „moderne Elemente“ der Riefenstahl-Filme, „wie sich aus rein ästhetischer Begeisterung ein faschistisches Gedankenmodell“ forme, das sich heute in Losungen wie „Alles für Deutschland“ und  in „Hate“-Videos sozialer Netzwerke ausdrücke. Entsprechend versteht Veiel seine Doku als Aufklärung über „Populismus und Fremdenfeindlichkeit“, den „Nachtseiten jeder faschistischen Ästhetik“, über die auch Riefenstahls „innovative Bildwelt“ nicht hinwegtäusche (Cicero, 11/2024). (wm)  www.cicero.de