© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/24 / 01. November 2024

„Unsere Branche ist in einem tiefgreifenden Wandel“
Autoindustrie II: Die amerikanischen Fahrzeugkäufer lassen sich nicht zum E-Mobil bekehren / Ford mit Milliardenverlust im „Zukunftsgeschäft“
Thomas Kirchner

In seiner 1967er Corvette Stingray, ein Hochzeitsgeschenk von seinem Vater, ließ sich Joe Biden am 16. Juli 2020 im Wahlkampf vor seiner Villa in Delaware fotografieren, als er verkündete, Autos würden künftig wieder in den USA hergestellt, wie in den 1960er Jahren. Heute zwar mit Elektromotor, aber wie damals durch gutbezahlte, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Prompt hagelte es Kritik: Biden habe Spaß mit seiner alten Dreckschleuder, die 15 oder 20 Liter verbraucht, während er alle anderen zu E-Autos verdonnert.

Biden setzte Trumps „America First“-Industriepolitik fort, nur mit anderer Rhetorik und als „grün“ getarnten Subventionen im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA). Amerikas Politiker beider Parteien verfolgen das Ziel, in Billiglohnländer verlagerte Industrieproduktion zurückzuholen. Biden setzte auf Subventionen, Trump auf Zölle. Kamala Harris will Bidens Subventionen ausbauen, und insbesondere Infrastruktur wie Stromtrassen und Ladestationen fördern. Republikaner befürworten eine Mischung aus Verbrennern und E-Antrieb, wollen aber Bidens IRA zurückrollen und die gesparten Subventionen für Steuersenkungen einsetzen. Allerdings: Die meisten Subventionen gehen an Nutznießer in republikanisch dominierten Wahlkreisen. Selbst bei einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus findet sich wohl keine Mehrheit zum vollständigen Zurückrollen.

46 Prozent der E-Besitzer wollen zum Verbrenner zurückkehren

Donald Traump könnte lediglich Umweltvorschriften zurücknehmen, die E-Autos unterstützen. „Woke“ Bundesstaaten wie Kalifornien haben eigene Emissions- und Elektroanforderungen, auf die ein Präsident keinen Einfluß hat. Auch wenn Biden und Harris auf E-Autos zur Rettung der amerikanischen Autoindustrie setzen, liegt die eigentliche Entscheidung beim Verbraucher, und der macht den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Die Beratung McKinsey hat festgestellt, daß 46 Prozent aller amerikanischen E-Besitzer beim nächsten Kauf zum Verbrenner zurückkehren wollen – in Ampel-Deutschland sind es laut einer HUK-Studie immerhin mehr als ein Drittel (JF 44/24). Bidens Ziel, bis 2030 die Hälfte der Neuwagen mit Elektroantrieb zu verkaufen, ist so unerreichbar.

Und deshalb bereiten die E-Autos nicht nur Audi, Mercedes oder VW Kopfzerbrechen. Ford stellte die vollelektrische Variante seines Pickups F-150 ein. Als Benziner ist der robuste Transporter mit Sechs- oder Achtzylinder-Motoren hingegen seit vielen Jahren das bestverkaufte Auto in den USA. Ford meldete für das dritte Quartal einen Umsatz von 46 Milliarden Dollar, aber nur einen Nettogewinn von 0,9 Milliarden, denn das E-Auto-Geschäft verbrannte eine Milliarde Dollar. „Wir haben strategische Entscheidungen getroffen und harte Maßnahmen ergriffen“, entschuldigte sich Konzernchef Jim Farley, denn „unsere Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel“.

General Motors (GM) konnte seine Gewinne verbessern. Nicht Kleinwagen, sondern Pickups, SUV und riesige „Spritfresser“ prägen dessen Sortiment, wie der bis zu 5,70 Meter lange Cadillac Escalade. Jetzt wirkt sich der Verkauf von Opel 2017 positiv auf GM aus, denn der Konzern ist von den Widrigkeiten des Europageschäfts isoliert. Zehn Prozent Umsatzzuwachs verbuchte GM, doch es drängt sich der Verdacht auf, daß die schlechten Nachrichten teilweise ins nächste Quartal verschoben wurden. Die Investmentbank Wells Fargo schätzt, daß alle drei Detroiter Hersteller ihr Inventar reduzieren müssen. Stellantis (Chrysler, Jeep, RAM) versucht dies bereits durch Preissenkungen. Ford liegt ungefähr gleichauf mit Chrysler, während GM den geringsten Bereinigungsbedarf hat.

Das Elektro-Premiumsegment ist durch Tesla, Rivian und Lucid weitgehend ausgereizt. Wie auch Cabrios oder Wohnmobile ist es ein Nischenmarkt, der nicht für jeden Käufer interessant ist, aber für manche Hersteller wie Tesla sehr lukrativ sein könnte. Elon Musks Unterstützung für Trump ist eine Ironie der Wahl vom 5. November, ist Tesla doch einer der Gewinner der Subventionen auf E-Autos, die bei einem Wahlsieg einer Schrumpfung des IRA zum Opfer fallen könnten.

Ford-Quartalsbericht 3/24: shareholder.ford.com/Investors