Bundestagsabgeordnete reisen um die Welt und informieren sich zum Beispiel „über den Wandel eines Landes“ vom Rohstoffexporteur zur Hochtechnologie-Nation, wie gerade eine Delegation des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in Kanada. Um sich über über künstliche Intelligenz (KI) und andere neue Technologien zu informieren, reist die vom Vorsitzenden Kai Gehring (Grüne) angeführte Delegation sogar bis nach Vancouver an der Pazifikküste. Die Ergebnisse solcher Trips stehen im umgekehrten Verhältnis zu den auf Steuerzahlerkosten zurückgelegten Flugkilometern: Die Erfolge der deutschen Bildungs- und Forschungspolitik sind im weltweiten Vergleich eher gering. Und gerade bei künstlicher Intelligenz gilt Deutschland als Entwicklungsland.
Unter Vielfliegern gibt es das geflügelte Wort, daß man auf jedem Flughafen der Erde einen Bundestagsabgeordneten, meistens sogar eine Delegation antreffen kann. Die deutsch-nordische Parlamentariergruppe bricht unter Leitung ihres Vorsitzenden Ingo Gädechens (CDU) nach Grönland auf. Dort will man sich mit einheimischen Abgeordneten über erneuerbare Energien unterhalten. Photovoltaik kann ausgeklammert werden, denn in Grönland ist es mehrere Monate im Jahr dunkel. Island liegt auf dem Weg, und deshalb wird auch dort Station gemacht. Der Ausschuß für Klimaschutz und Energie hat sich mit Brasilien ein wärmeres Reiseziel ausgesucht. Unter Leitung des Abgeordneten Olaf in der Beek (FDP) will sich die Gruppe über Projekte zu „entwaldungsfreien Lieferketten“ informieren.
Zu den exotischen Reisezielen gehört der Südsudan. Wirtschaftskrise und Dürre sind Anlaß für den Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sogar in diesen Winkel Afrikas zu reisen. Darben wie die einheimische Bevölkerung müssen die Berliner nicht, denn der Blick auf den Stadtplan der südsudanesischen Hauptstadt Juba weist mehrere gute Hotels aus, unter anderem ein 5-Sterne-Haus mit drei Restaurants, einer stilvoll eingerichteten Bar und einem Spa-Bereich mit Sauna und Whirlpool. Auch wenn die Kassen des Staates leer sind und selbst der Bundestag bei Einzelreisen sparen muß, sind die Delegationsreisen in diesem Herbst nicht zu bremsen. Drei Ausschüsse sind in Wa-
shington bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, die als Event der Spitzenklasse gilt. Weitere Reiseziele: Ungarn, Finnland, Estland, Italien, Spanien und Malta.
Bei Delegationsreisen gibt es keine „Brandmauer“, so daß im Regelfall auch die AfD dabeisein kann. Eine Ausnahme machte Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Fraktion bei seiner Reise nach Südkorea und Japan überging. Dafür waren Vertreter aller anderen Fraktionen und Mitarbeiter aller großen etablierten Medien mit an Bord. Bei der Wirtschaft, um die es eigentlich gehen sollte, war das Interesse minimal: Es hatten sich nur Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen zur Teilnahme gemeldet. Die AfD hat nichts versäumt.