Wenn nun der aus dem links-grünen Lager kommende Bundespräsident Alexander Van der Bellen entgegen allen politischen Gepflogenheit der Zweiten Republik den Auftrag zur Regierungsbildung nicht dem Wahlsieger, sondern dem großen Wahlverlierer, nämlich der zweitplazierten christlichsozialen Volkspartei (ÖVP) erteilte, tut er dies unter klarer Mißachtung des Wählerwillens. Dieser wäre nämlich auf eine Mitte-Rechts-Koalition zwischen Freiheitlichen (FPÖ) und ÖVP hinausgelaufen.
Obwohl es bereits zweimal eine solche Koalition unter ÖVP-Führung gegeben hatte, glaubt die Volkspartei unter dem bisherigen Bundeskanzler Karl Nehammer, nun nach bundesdeutschem Vorbild eine „Brandmauer“ gegenüber der FPÖ errichten zu müssen. Und anstelle einer solchen bürgerlichen Koalition dürfte nun eine Austro-Ampel-Regierung bestehend aus Volkspartei, deklassierten Sozialdemokraten und den schwachen liberalen Neos auf das Land zukommen.
Eine solche Koalition der Wahlverlierer wird aber kaum in der Lage sein, die großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Alpenrepublik – Österreich ist gegenwärtig EU-Schlußlicht – zu lösen. Weshalb politische Beobachter sich einig sind, daß die Stunde die Freiheitlichen unter Herbert Kickl mit ziemlicher Sicherheit noch kommen wird – spätestens wenn diese Austro-Ampel scheitert.
Andreas Mölzer ist heute Herausgeber der Wochenzeitung „Zur Zeit“, früher FPÖ-EU-Abgeordneter.