© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/24 / 25. Oktober 2024

Der Flaneur
Sprache verändert sich
Claus-M. Wolfschlag

Die Klassengesellschaft läßt sich auch an ihrer unterschiedlichen Sprache festmachen. Manch älterer bedauert noch das Verschwinden des Dialekts. Denn welcher Jugendliche benutzt im Alltag noch Begriffe aus dem bräsig-frechen hessischen Wortschatz wie „Hannebambel“, „Gusch“ oder „Tranfunsel“? 

Doch längst ist auch Hochdeutsch auf dem Rückzug. Zumindest auf den öffentlichen Plätzen der Großstädte hat sich eine Art arabisierter Unterschichten-Pidgin ausgebreitet, sofern nicht gleich in einer Fremdsprache untereinander kommuniziert wird. 

Im Bus sitzend, auf dem Weg zum Fitneß-Kurs, höre ich ein Mädchen mit dem Fahrer plaudern. Sie schildert ihre aktuelle berufliche Situation: „Sch’will Ausbildung anfangen. Ja, sch’fahr zu Vorstellung. Sch’hab Bewerbungsmappe dabei.“

„Isch hol mir Brötchen, dann geh isch Pause“, ruft der Kassierer dem Security-Mann zu.

Schnell eile ich noch in den Supermarkt, wo ich den Kassierer dem seit einigen Jahren präsenten Security-Mann fröhlich zurufen höre: „Isch hol mir Brötchen, dann geh isch Pause.“

Im Kursraum angekommen, begegne ich einem anderen Milieu. Es wird gutes Hochdeutsch gesprochen. Doch ist auch hier bereits wahrnehmbar, daß das amerikanisierte Deutsch in gewissen Studentenkreisen beliebter ist. Ein Bursche kommt auf mich zu und fragt: „Ich bin neu. Auf welcher Raumseite steht denn der Introducer?“ „Du meinst die Kursleiterin?“, frage ich nach.

Ähnliches erlebe ich im Nachgang noch in einer Bar. Am Nebentisch sitzt eine Studentengruppe, deren Gespräch sich darum dreht, wer am spätesten aufgestanden und vor kürzester Zeit einen Joint geraucht hat. Ein langhaariger Typ erzählt besonders selbstgefällig und nölt dabei betont lässig: „Ja, da habe ich random einige Leute getroffen, mit denen ich früher ziemlich close war.“

Und ich bin unsicher, ob Denglisch immer noch als besonders „cool“ gilt oder ob bereits hochdeutsche Begrifflichkeiten verlorengegangen sind. Oder ob der Bachelor, der später in einem internationalen Unternehmen tätig ist, schon für die Zeit ohne Deutsch übt.



Ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt – jeder Mensch ist ein Künstler. Joseph Beuys, Künstler (1921–1986)