Eine Klärung im Streit zwischen dem Bundesinnenministerium (BMI) und dem Magazin Compact verzögert sich. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das Hauptsacheverfahren über das Compact-Verbot auf den 10. Juni 2025 verschoben. Ursprünglich sollte es am 12. Februar stattfinden. Das berichtet der Rechtsanwalt Dirk Schmitz auf alexander-wallasch.de. Für viele Beobachter kommt die Entscheidung überraschend.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte das rechte Blatt am 16. Juli verboten, die Redaktionsräume durchsuchen und alle Arbeitsmittel der Journalisten beschlagnahmen lassen. Vier Wochen später hob das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) das Verbot im Eilverfahren vorläufig auf. Laut den Richtern bestünden erhebliche Zweifel, ob das Verbot „angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge“ gerechtfertigt sei. Compact konnte daraufhin wieder online gehen sowie gedruckt erscheinen und titelt in der aktuellen Ausgabe „Neue Deutsche Jugend: Warum Rechts jetzt angesagt ist“.
Eine endgültige Entscheidung in dem Fall sollte im Hauptsacheverfahren fallen. Die Möbel, Rechner und alle beschlagnahmten Gegenstände mußte das Innenministerium inzwischen wieder an Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer und das in Falkensee bei Berlin ansässisge Unternehmen zurückgeben. Ob das Gericht aber, wie Schmitz unterstellt, das Verfahren „gezielt in den Bundestagswahlkampf“ verschob, darf bezweifelt werden. Vielmehr dürfte es um die Vielzahl der Akten gehen, die beide Seiten einreichten und deren Sichtung mehr Zeit benötigt als zunächst angenommen. Der Anwalt, der 20 Jahre lang für das AfP (Archiv für Presserecht) – Zeitschrift für das gesamte Medienrecht arbeitete, zitiert darüber hinaus „interne Stimmen aus der Verwaltung des BVerwG“. Diese „raunen allerdings“, so Schmitz, „daß die Sache im Hauptsacheverfahren nicht anders ausgeht und die Richter deutlich auf Abstand zur rechtswidrig hemdsärmeligen Art der Bundesinnenministerin und ihrem wohl bis zum 31. Dezember 2024 verpensionierten Verfassungsschutzchef gehen wird“. Damit meint er Thomas Haldenwang.
Das Innenministerium möchte die Verzögerung nicht kommentieren, stellt aber klar, „die Terminverschiebung wurde vom BVerwG ohne Zutun des BMI vorgenommen“. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zeigt sich eine Sprecherin zuversichtlich für das Hauptsacheverfahren. „Das BMI hat das aus seiner Sicht verfassungsfeindliche, aggressiv-kämpferische Agieren der Compact-Magazin GmbH in der Verbotsverfügung umfassend begründet und durch umfängliches Beweismaterial der Sicherheitsbehörden belegt“, heißt es in der Antwort auf eine JF-Anfrage. „Es wird seine Rechtsauffassung für das Verbot im Hauptsacheverfahren weiter detailliert darlegen und den prägenden Charakter der Verfassungsfeindlichkeit im Lichte der Maßgaben des BVerwG aus dem Beschluß im Eilverfahren vom 14. August 2024 substantiieren.“
Empfindliche juristische Niederlage an anderer Stelle
Allerdings spricht nach der Entscheidung im Eilverfahren nicht viel dafür, daß das Bundesverwaltungsgericht die Angelegenheit im Hauptsacheverfahren anders entscheiden könnte. Denn schon im August hielten die Richter fest, anstatt eines Verbotes gebe es mildere Mittel. Beispielsweise könnten, so die Richter damals, die Behörden „presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen“. Das Gericht hob auch auf die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit ab. Daß es dahinter im Hauptsacheverfahren wieder zurückfällt, gilt als unwahrscheinlich.
Die Richter haben dem BMI inzwischen auch verboten, Erkenntnisse zur Compact-Prozeßstrategie zu verwenden, die es über Abhöraktionen des Verfassungsschutzes gewinnt. Faeser und Verfassungsschutzchef Haldenwang gaben daraufhin laut Schmitz eine Erklärung ab, daß „seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz der Grundsatz des fairen Verfahrens vollumfänglich gewährleistet“ werde. Und weiter: „Eine Prozeßausspähung seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz findet nicht statt. Sofern zufällig Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Prozeßstrategie beim Bundesamt für Verfassungsschutz anfallen beziehungsweise eingehen sollten, würden diese weder zur Akte genommen noch berücksichtigt werden. Die Führungskräfte des Bundesamtes für Verfassungsschutz stellen die Einhaltung dieses Grundsatzes … sicher.“ Compact-Chefredakteur Elsässer zeigt sich im Gespräch mit der JF jedenfalls „sehr optimistisch“ für das Verfahren. „Wenn wir schneller positiv beschieden worden wären – schon im Februar –, wäre es der Idealfall gewesen“, aber so „haben wir erstmal vier Monate zusätzliche Sicherheit“ und „unsere Anwälte können die Argumentation noch besser vorbereiten“. Das Eilverfahren habe bereits ein „gewisses Präjudiz geschaffen“. Für Elsässer hat das Gericht „praktisch gesagt, die Sache mit ‘gesichert rechtsextrem’ wäre gar nicht so klar auf der Grundlage des gesichteten Materials“, und genau an dem Punkt „werden wir auch weiter zuliefern“. Es sei außerdem „dahingestellt, ob es Frau Faeser nützt, wenn diese schmutzige Affäre, dieser Schandfleck auf ihrer Weste im Bundestagswahlkampf jeden zweiten Tag in den Medien steht, wie sie gegen die Pressefreiheit vorgeht“.
Der Publizist gibt allerdings zu bedenken: „Unser Problem ist nicht dieses Verbotsverfahren, unser Problem ist, daß Frau Faeser versucht, uns vor der Verhandlung kaputtzumachen indem sie uns vom Bankensystem abschneidet.“ Leute vom Verfassungsschutz und vom Innenministerium hätten „die Banken zum Teil aufgesucht“, woraufhin diese Compact gekündigt hätten. „Wir haben seit dem 1. Oktober kein Bankkonto mehr“, sagt Elsässer, „wir befinden uns jetzt in mehreren Eilverfahren gegen Sparkassen, die hoffentlich bald abgeschlossen sind, aber diese Verfahren ziehen sich“. Sein Team und er müßten „jeden Tag das Kunststück vollbringen, den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten ohne Konten – ein anstrengender Drahtseilakt“.
Derweil hat das Innenministerium eine empfindliche juristische Niederlage in einem anderen pikanten Zusammenhang mit Pressevertretern eingefahren. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am Montag per einstweiliger Verfügung entschieden, daß das BMI dem Nachrichtenportal Nius offenlegen muß, gegen welche Journalisten es im Jahr 2022 mit einer Unterlassungsforderung vorgegangen ist. Die Richter sprachen von einem „neuen Phänomen“, daß die Bundesregierung mit externen Anwälten gegen regierungskritische Berichterstattung vorgehe. Dafür bestehe „ein gesteigertes öffentliches Interesse mit hinreichend starkem Aktualitätsbezug“. Die angeordnete Auskunft könnte Hinweise darauf ergeben, ob die Ampel „gezielt gegen bestimmte Journalisten“ vorgehe und ob sich daraus „ein Muster ableiten“ lasse. Der presserechtliche Auskunftsanspruch gelte für Nius genauso wie für Presseverlage und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die juristischen Sterne stehen momentan nicht besonders günstig für das BMI.