© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/24 / 25. Oktober 2024

„Menschen sind gefährlich!“
Kino II: „Woodwalkers“ ist die Filmadaption einer erfolgreichen Jugendbuchreihe, an der die „Letzte Generation“ Anstoß nehmen könnte
Dietmar Mehrens

Graugänse werfen Äste in die Triebwerke von Flugzeugen. Alligatoren bringen Ausflugsboote zum Kentern. Und Pumas fauchen nicht nur, sie reden! Es gibt doch noch Innovationskraft im deutschen Film. Es handelt sich hier nämlich nicht um eine Geschichte aus dem Zeichentrick-Universum von Walt Disney (wo sprechende Tiere bekanntlich die Regel sind), sondern aus dem „Woodwalkers“-Kosmos der deutschen Autorin Katja Brandis. Seit August 2016 erscheinen die Bände der erfolgreichen Jugendbuchreihe im Arena-Verlag. Darin geht es um Tiere, die als „Wandler“ oder „Woodwalkers“ sowohl Tier- als auch Menschengestalt annehmen können. Über 2,8 Millionen Exemplare wurden in Deutschland verkauft, die Romane in 24 Sprachen übersetzt.

„Menschen sind gefährlich!“ heißt es mahnend in der ersten Filmszene, die Pumas zeigt, die sich vor den Menschen in höher gelegene Bergregionen flüchten. Das Erstaunliche: Diese Pumas sind selber Menschen, genauer gesagt: „Pumawandler“. So werden Pumas genannt, die Menschengestalt annehmen können. Einer von ihnen ist der Jungpuma Carag (Emile Chérif), der seine tierische Familie verlassen hat und als Pflegekind Jay ein Leben in seiner menschlichen Gestalt führt – in einer ganz normalen Familie. Nur Jay ist eben nicht ganz normal, und das merken irgendwie auch alle. So reift der Entschluß, Jay umzuschulen in das Gebirgsinternat Clearwater Highschool in Jackson/Wyoming, geleitet von der Wandlerin Lissa Clearwater (Martina Gedeck).

Hier gibt es so kuriose Aufbaukurse wie „Sei dein Tier“ oder „Artgerechtes Kämpfen“. Als Fremdsprachen werden unter anderem Füchsisch und Häsisch unterrichtet. Carag lernt tierische Schulkameraden kennen, darunter zwei nette Mädchen: die vorlaute Eichhörnchen-Wandlerin Holly und  die hübsche Wapiti-Wandlerin Lou. Weniger erbaulich ist das Zusammentreffen mit einem Rudel Wolfwandler. Es gibt die ersten Schrammen.

Kinder, Tiere und Magie auf der Leinwand sorgen für volle Kassen

Von Anfang an zwielichtig erscheint Andrew Milling (Oliver Masucci), der reiche Gönner von Clearwater, ebenfalls Pumawandler. Er wittert in Carag einen Artgenossen und Verbündeten, erklärt sich zu dessen Mentor, entpuppt sich aber als radikaler Umweltaktivist, der durch seine Vorliebe für schnelle Sportwagen und Gewalt gegen Sachen sein Öko-Engagement genauso nachhaltig diskreditiert wie die Scheinheiligen von der „Letzten Generation“.

Der bieder und ohne Mut zu einem eigenen künstlerischen Ansatz inszenierte Film von Damian John Harper bildet den Auftakt zu einer „Woodwalkers“-Trilogie, deren zweiter Teil spätestens 2026 herauskommen soll. Es fällt schwer, sich auf die verschroben-surreale, abstrus-unrealistische Geschichte einzulassen, der leider der Erfindungsreichtum der legendären „Harry Potter“-Bücher völlig abgeht. Doch die Masche funktioniert. Schon der große Erfolg der „Schule der magischen Tiere“-Verfilmungen (JF 40/22), deren dritter Teil im letzten Monat sofort Platz eins der Kinohitparade eroberte, zeigte: Kinder und Tiere unter Zuhilfenahme magischer Elemente auf der Leinwand zusammenzubringen sorgt für volle Kassen. Von ferne grüßt da wohl doch irgendwie Walt Disney.

Wie üblich ist das Ganze gegürtet mit einer zeitgeistkompatiblen Öko-Botschaft. Daß die sich schwer damit tut, Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Extremisten aus der „Klimaschutz“-Liga zu edlen Helden zu stilisieren, darf man wohl als Entspannungssignal von der Wetterfront werten. Die trotz des tricktechnisch effektreich aufgemöbelten Auftritts von Bison und Wapiti etwas schwer in die Hufe kommende Geschichte gipfelt schließlich in einer lebensgefährlichen Sabotageaktion des Pumawandlers Milling. Da lohnt sich das Hingucken ebenso wie bei den herrlichen Gebirgspanoramabildern, die natürlich nicht in Wyoming, sondern in Tirol entstanden sind. Man könnte es auch so sagen: Die realistischen Szenen in „Woodwalkers“ sind die besten.

Foto: Jungpuma Carag (Emile Chérif, r.) mit Pumawandler Andrew Milling (Oliver Masucci), Kinostart ist am 24. Oktober 2024