In ihrer Dankesrede zur Verleihung des Theodor W. Adorno-Preises hat die US-Politologin Seyla Benhabib (Yale) zu einem Rundumschlag ausgeholt gegen alle Feinde einer Welt, wie sie nach linksliberaler Façon sein sollte (Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2024). Nachdem die mit Adornos Biographie und den deutschen Universitätsverhältnissen vor bald hundert Jahren nicht sonderlich vertraute US-Professorin den Philosophen posthum vom Privatdozenten zum Ordinarius befördert hat, beansprucht sie ihn, um vor Europas derzeit angeblich geführtem „Kulturkampf gegen den Islam“ zu warnen, vor Islamophobie, die nichts von Antisemitismus unterscheide. Ebenso vor Donald Trumps zweiter Präsidentschaft, die zu „massenhaften Deportationen von Migranten“ führen könnte, und vor der Eskalation des „genozidalen Krieges“, mit dem Israel die Palästinenser in Gaza überziehe. Das komplette Sortiment ihres woken Musterkoffers entfaltend, traktiert Benhabib, die schon vor zwanzig Jahren keine Grenzen und keine Nationen mehr dulden wollte, schließlich ihr Lieblingsthema: die „falschen Universalien und starren Identitätskategorien“ von Nation, Rasse, Hautfarbe, Geschlecht und Sexualität, in denen Menschen gefangen und aus denen sie zu befreien seien. Das vermeintliche Vermächtnis Adornos, der sich übrigens, so wenig wie Max Horkheimer, während der langen Jahre des US-Exils nie um die „Rassenfrage“ in seinem Gastland kümmerte, erfülle also, wer sich für die „nicht-identitäre Solidarität“ zwischen „fluiden“, am enthemmten „Anderssein“ nicht gehinderten Existenzen in multikulturellen Gesellschaften einsetze. (wm) www.blaetter.de