© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/24 / 25. Oktober 2024

Wackelnde Swing-States
USA: Kamala Harris tritt in Fettnäpfchen, sie verhaspelt sich gern – doch es schadet ihr wenig
Liz Roth

Großer Applaus erwartete Kamala Harris beim Empfang in einer Megakirche der Baptisten am vergangenen Sonntag anläßlich ihres 60. Geburtstages in Georgia. Mit der Unterstützung des berühmten Musikers Stevie Wonder, der ihr mit seinem Hit „Happy Birthday“ ein Ständchen sang, läutet sie den Endspurt des Wahlkampfs ein.

Der erste Dienstag im November, der Tag der Wahl, steht fast vor der Tür, und beide Kandidaten geben alles, um die letzten Stimmen in den umkämpften Bundesstaaten, den sogenannten „Swing States“, für sich zu sichern.

Kamala Harris’ Chancen, daß sie am 5. November gewinnt und das Weiße Haus in den Händen der Demokraten bleibt, sollen laut den großen amerikanischen Medienhäusern wie der New York Times oder auch CNN gut stehen. Allerdings wird beim Lesen verschiedener Publikationen klar, daß der größte Fokus der Presse nicht auf ihren Leistungen und Plänen für die Präsidentschaft, sondern auf den angeblichen Fehltritten von Donald Trump liegt. „Googles Suchmaschine puscht Artikel, die Harris in einem guten Licht darstellen und Trump schlechtmachen“, erklärt Brent Bozell, der Gründer von „Media Research Center“, einer Organisation, die kürzlich eine Studie veröffentlichte, die klar zeigt, daß es eine digitale Voreingenommenheit für Kamala Harris und die Demokraten gibt. „Traue ihnen nicht!“

Erst vergangenen Sonntag gab der Fernsehsender CBS nach wochenlanger Diskussion im Internet zu, ein Interview mit Kamala Harris „zusammengeschnitten“ zu haben, damit es „prägnanter“ sei. Dies sei normale Praxis. Dennoch zeigt das originale Interview, das millionenfach in den digitalen Netzwerken geteilt wurde, Harris dabei, wie sie Schwierigkeiten hat, sich klar und deutlich auszudrücken. Journalist Bill Whitaker hatte sie in bezug auf die Situation im Nahen Osten gefragt, wieso es so „aussieht, als ob Benjamin Netanjahu nicht auf Lösungsvorschläge der USA hören würde“. Harris’ Antwort war eigentlich viel länger und mit vielen unklaren Adjektiven bestückt. In der geschnittenen Version antwortete sie ein wenig präziser: „Wir werden nicht aufhören, das zu tun, was notwendig ist, um deutlich zu machen, wo wir stehen, wenn es um die Notwendigkeit geht, diesen Krieg zu beenden.“

Klaren Positionierungen geht die Demokratin gern aus dem Weg

Auch während eines Interviews mit Fox News vergangene Woche vermied es Harris, gewisse Themen zu besprechen. Auf die Frage des Interviewers Bret Baier, wieso eine Umfrage angibt, daß 79 Prozent der Befragten die politische Richtung der USA als falsch empfinden: „Das sind dreieinhalb Jahre, in denen Sie auch regiert haben. Was sagen Sie dazu?“ Mit einem Kopfschütteln sagte sie: „Und Donald Trump kandidiert für das Amt…“ Auf weitere Nachfragen Baiers und die Aufforderung nach einer klaren Positionierung reagierte sie verärgert. Nach dem Interview erklärte Baier, daß „ihr Team immer wieder mit den Händen gewedelt hatte, um das Gespräch zu beenden“.

„Kamala Harris hat während des gesamten Wahlzyklus schwierige Interviews vermieden“, analysiert der Kommentator Ben Shapiro. Viele Amerikaner Fragen sich, wofür Harris eigentlich stehe. „Sie weigert sich, Fragen nach ihrer Tätigkeit während dieser Administration zu beantworten. Sie ist unwillig und unfähig, Fragen zu ihrer Politik zu beantworten. Sobald man tiefer gräbt, erkennt man, daß sie ein leeres Gefäß für die Regierung Biden ist. Sie kennt ihre Politik nicht gut genug, um stichhaltige und interessante Unterscheidungen darüber zu treffen, wie diese Politik funktioniert. Sie weiß nicht, wie sie die Politik verteidigen soll, die sie selbst auf den Weg gebracht hat“, lautet sein Resümee.

Bislang gibt es kaum klare Positionierungen von Harris zu ihren Erfolgen als Vizepräsidentin. „Sie kann weiterhin nicht mal dazu stehen, daß sie seit fast vier Jahren im Amt der Vizepräsidentin ist“, merkt J.D. Vance, Trumps Kandidat für die Vizepräsidentschaft an. Auch NBC-Reporter Peter Alexander versuchte es: „Was hätten Sie politisch anders als Joe Biden in den vergangenen dreieinhalb Jahren gemacht?“ Dem verblüfften Alexander diktiert Harris: „Ich meine, um ganz offen mit Ihnen zu sein, auch Mike Pence, Vizepräsidenten sind nicht bedeutsam für ihren Präsidenten.“

Bedeutend war ihre Abwesenheit beim Al Smith Dinner, einer Wohltätigkeitsgala der New Yorker katholischen Erzdiözese, die traditionell von beiden Kandidaten vor der Wahl besucht wird. Sie sendete zwar eine Videobotschaft für die Teilnehmer, aber überließ somit Donald Trump das Feld, sie während seiner Rede gnadenlos durch den Kakao zu ziehen. Ein weiterer Fauxpas mit Christen passierte ihr am nächsten Tag, als sie bei einer Wahlveranstaltung in Wisconsin auf den Ausruf eines Teilnehmers „Jesus ist der Herr“ lachend antwortete: „Oh, ihr seid bei der falschen Veranstaltung. Ich glaube, ihr solltet zu der anderen, kleineren Veranstaltung die Straße runter gehen.“ Christliche Werte spielen im Wahlkampf eine große Rolle und können entscheidend sein.

Auch an der demokratischen Basis gibt es Schwierigkeiten für Harris. Eine Reporterin des linken Fernsehsenders MSNBC reiste in den umkämpften Staat Michigan, der traditionell eine Hochburg der Linken ist, und stellte einer Gruppe von Wahlberechtigten die Frage, wer von ihnen für Kamala stimmen würde. Alle schwiegen. Sie hakte nach: „Absolut keiner?“ Alle Teilnehmer schüttelten den Kopf. „Es gibt nichts, das sie sagen könnte, das unsere Meinung ändern würde“, erklärt eine der Wählerinnen schließlich zum Erstaunen der Reporterin.

Auch der Journalist und Trump-Gegner Don Lemon berichtet im CNN-Interview, daß er mit vielen Menschen persönlich gesprochen hätte und sich ein Bild zeigt, das so in den Medien nicht gezeigt wird. „Ich bin von Battleground State zu Battleground State gereist und habe mit den Menschen vor Ort gesprochen. Es war nicht selektiv. Ich bin einfach auf Leute zugegangen und habe gefragt, wen sie wählen werden. Und es zeigte immer wieder die gleiche Antwort, besonders bei schwarzen Männern, daß sie sagten, sie würden Trump wählen.“

Eine Milliarde Dollar Wahlkampfspenden für Harris

Doch laut jüngsten Umfragen der Meinungsforscher von FiveThirtyEight liegt Harris mit weniger als zwei Prozentpunkten vor Trump. Andere Umfragen sehen den Republikaner vorne. „Die Daten sind aber weiterhin sehr schlecht für Harris“, schreibt der bekannte Wahlanalyst und Statistik-Experte Nate Silver auf seiner Substack-Seite. „Es gibt jetzt drei aktuelle, qualitativ hochwertige nationale Umfragen, die Trump in Führung sehen – ein schwieriger Umstand für Harris, angesichts des Nachteils der Demokraten im Electoral College“.

Trotz alldem hat Harris, laut der Washington Post, einen enormen finanziellen Vorteil gegenüber Trump. Die Wahlkampfunterlagen der Harris-Kampagne, die vergangenes Wochenende veröffentlicht wurden, geben an, daß die Demokraten im vergangenen Quartal etwa eine Milliarde Dollar an Wahlkampfspenden eingenommen haben. Nach einem Fundraising-Wochenendes in Los Angeles soll Harris über 100 Millionen Dollar mehr in ihrer Walkampfschatulle verbuchen können.