Mitten in der Online-Konferenz ruft einer der Teilnehmer unvermittelt: „Achtung, wir werden besetzt!“ Zu hören ist, wie dumpfe Tritte und Schläge gegen die Tür im Hintergrund donnern. Wenig später bricht die Verbindung zu ihm und einigen anderen ab. Sie saßen in ihren Büros im Präsidium der Freien Universität Berlin (FU), das vergangenen Donnerstag Ziel eines massiven Angriffs mutmaßlich linksextremer Palästina-Unterstützer wurde.
„Grenzüberschreitung durch nichts zu rechtfertigen“
Bis zu zwanzig Personen drangen dabei in das Gebäude, die frühere Alliierte Kommandantur, ein und randalierten. Neben einer verwüsteten Teeküche hinterließen sie auch zerstörte technische Einrichtungen. Im und an das Verwaltungsgebäude wurden zudem israelfeindliche Parolen wie beispielsweise das Hamas-Dreieck gesprüht.
Nach Angaben der Polizei flüchteten die Täter, als die alarmierten Beamten eintrafen. Offensichtlich gelang es einigen der an der gewaltsamen Aktion Beteiligten durch einen Hinterausgang zu fliehen, weil die Polizei, die im Laufe des Tages mit insgesamt 190 Kräften im Einsatz war, ausschließlich am Haupteingang gewesen sei. Die Beamten konnten noch vier Personen vorläufig festnehmen. Wie die Behörde am Freitag mitteilte, handelt es sich um „drei Frauen und eine diverse Person“.
Rund eine Dreiviertelstunde habe das Ganze gedauert. Zurück blieben neben den teilweise erheblichen Sachschäden auch geschockte Universitätsbeschäftigte. Der psychologische Beratungsdienst habe Unterstützung angeboten, sollten Angestellte diese benötigen. Besonders die an dem Überfall beteiligten Frauen seien äußerst aggressiv gewesen, erfuhr die JUNGE FREIHEIT aus Kreisen der FU-Mitarbeiterschaft. Dort geht man anhand von vorherigen Beobachtungen davon aus, daß das Gebäude zuvor ausgespäht worden sei. „Die kannten sich aus“, so ein Betroffener. „Es ist nicht der erste Palästina-Protest an dieser Universität, aber es ist eine massive Gewalttat von der Art, wie wir es eben bisher noch nicht gehabt haben“, sagte FU-Präsident Günter Ziegler der dpa. „Die Freie Universität steht für Dialog.“ Er habe keinerlei Verständnis für diese Art von Protest. „Es gibt Dialogangebote, aber eben nicht gegenüber Leuten, die uns einfach mit einer Gewalttat überziehen.“ Ziegler war zuvor noch im Akademischen Senat aus den Reihen der Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter für sein Vorgehen gegen ein sogenanntes Palästina-Solidaritätscamp auf dem FU-Gelände im Sommer angegangen worden.
Neben Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verurteilten auch die sogenannten „German U15“, ein Zusammenschluß fünfzehn renommierter und traditionsreicher Universitäten, den Überfall auf eines seiner Mitglieder aufs schärfste. „Unsere Universitäten sind offene Orte des Austausches, des Arguments und des wissensbasierten Dialogs. Der Angriff gegen die Freie Universität und gegen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine durch absolut nichts zu rechtfertigende Grenzüberschreitung. Wir sind darüber zutiefst erschrocken und erschüttert“, teilte der U15-Vorstandsvorsitzende Michael Hoch, Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, mit. Die Taten müßten konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Man stehe „in voller Solidarität und Unterstützung an der Seite der Freien Universität“.
Das „Palästinakomitee der FU“ lud nach dem Übergriff ein Video auf seinem Instagram-Kanal hoch, das die Festnahme eines bei der Attacke Beteiligten zeigt – versehen mit dem Kommentar „Polizeigewalt an der FU Berlin“.
Es war nicht die einzige Eskalation israelfeindlicher Proteste vergangene Woche in Berlin. So hatten rund tausend Personen an einer Demonstration mit dem Titel „Stoppt den Genozid in Gaza“ teilgenommen. Dort seien auch strafrechtlich relevante Parolen gerufen worden. Insgesamt nahm die Polizei 57 Teilnehmer vorläufig fest. Zudem wurden 25 Straf- und 34 Ordnungswidrigkeitsanzeigen gestellt, teilte die Behörde mit.