© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/24 / 25. Oktober 2024

Wie könnt ihr’s wagen, Knechte?
Unmut in Union: Innerparteilich regt sich Widerstand gegen Koalitionen mit dem BSW / Thema bei Treffen der Jungen Union
Hinrich Rohbohm

Eigentlich läuft es für die Union. In den Umfragen liegen CDU und CSU Woche für Woche über der 30-Prozent-Marke und werden von den Demoskopen mit deutlichem Abstand zur Konkurrenz als stärkste Kraft ausgewiesen. Die jüngste Allensbach-Erhebung sieht die Schwesterparteien mittlerweile sogar bei einem Wert von 36 Prozent. Wahlen werden nach der auszehrenden Merkel-Ära endlich auch mal wieder gewonnen. Erstmals seit 25 Jahren konnte die CDU in diesem Jahr sogar wieder steigende Mitgliederzahlen verkünden. Und in der CSU kratzt man laut Insa mit derzeit 43 Prozent in Bayern schon wieder an der absoluten Mehrheit.

Daß dennoch nicht eitel Sonnenschein herrscht, liegt an den intern mehr als befremdlich wirkenden Koalitionsgesprächen der CDU in Sachsen und Thüringen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Truppe rund um die einstige Hardlinerin aus der Kommunistischen Plattform ist für viele Christdemokraten im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes Tuch. Besonders beim christdemokratischen Nachwuchs stoßen die Anbiederungsversuche von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und dem Spitzenkandidaten der CDU Thüringens, Mario Voigt, sauer auf.

Der am kommenden Wochenende im nahe gelegenen Halle an der Saale  stattfindende Deutschlandtag der Jungen Union dürfte da für so manchen Funktionär ein willkommener Anlaß sein, seinen Unmut über die ungleiche, aber mögliche Liaison kundzutun. Möglich deshalb, weil es anders als  zur AfD und zur Linkspartei keinen Unvereinbarkeitsbeschluß („Brandmauer“) zur neuen Kraft gibt.

„Wenn es eine Brandmauer zur AfD und zur Linken gibt, dann müßte es zum BSW erst recht eine geben“, sagen gleich mehrere sächsische CDU-Funktionäre der JUNGEN FREIHEIT. An der Basis hätte eine Koalition mit den „Mauermörder-Sympathisanten“ und „DDR-Unrechtsstaats-Befürwortern“ keine Chance. Aller Voraussicht nach wird aber weder in Sachsen noch in Thüringen die Parteibasis darüber entscheiden. „Kretschmer wird die Beschlüsse in den Gremien herbeiführen, er weiß genau, daß ein Mitglieder-Votum für ihn ungünstig ausgehen wird“, sagen Insider. Ähnliche Töne kommen auch aus Thüringen. „Ein Mitglieder-Votum halte ich für ausgesprochen unwahrscheinlich“, sagt dort ein CDU-Landesvorstandsmitglied, das namentlich nicht genannt genannt werden will.

Im sächsischen CDU-Landesvorstand war es nach Informationen der jungen freiheit über den Umgang mit dem BSW zu einer heftigen Debatte gekommen. Ein Drittel der dortigen Landesvorstandsmitglieder würde demnach ein Bündnis mit der Wagenknecht-Partei entschieden ablehnen, gut ein weiteres Drittel, bestehend aus loyalen Kretschmer-Anhängern und sogenannten „Alt-Merkelianern“ sei für ein Zusammengehen mit dem BSW bereit. Der Rest sei noch unentschieden oder folge mehr aus Opportunismus als aus Überzeugung den Machterhaltswünschen ihres Ministerpräsidenten. Das Versprechen und die Aussicht auf Posten und Positionen dient dabei einmal mehr als Mittel der Disziplinierung, um ein mehrheitlich ungewolltes Bündnis eben doch zu realisieren, während die Parteibasis schäumt.

Neun ehemalige sächsische Landes- und Bundespolitiker rund um den konservativen einstigen sächsischen Landtagspräsidenten Matthias Rößler haben einen offenen Brief an den CDU-Landesvorstand verfaßt, in dem sie eindringlich vor einem Bündnis mit dem BSW warnen. „Eine Koalition mit ihr wäre insbesondere der Bruch der Sächsischen CDU mit ihrer eigenen Geschichte seit 1989 und ein Schlag ins Gesicht der friedlichen Revolution und vieler ihrer noch lebenden Repräsentanten“, heißt es in dem Schreiben, das der jungen freiheit vorliegt.

Auch der CDU-Kreisverband Meißen hat sich deutlich gegen eine Kooperation mit der Wagenknecht-Truppe ausgesprochen. Weil das BSW personell und programmatisch ein Teil der Linkspartei war, müsse der auf dem Hamburger CDU-Bundesparteitag 2018 verabschiedete Unvereinbarkeitsbeschluß auch für die nun davon abgespaltene Gruppe gelten, argumentiert der dortige Kreisvorstand.

Und auch die konservative Heimat Union fordert vielmehr „eine Regierung für die Interessen Sachsens“, statt ein fragwürdiges Bündnis mit der Dunkelrot-Version der SED-Erben. Aus ihrer Sicht müsse „jetzt eine Wiederholung der Fehler von 2019 vermieden werden, damit sich eine neue Landesregierung frei von Ideologie voll für die Interessen des Freistaats und seiner Bürger“ einsetzen könne. Die Gespräche mit einem Partner, der aus der Kommunistischen Plattform der Linkspartei hervorgegangen sei, sieht man „mit Sorge“ und plädiert stattdessen für die Bildung einer Minderheitsregierung.

„Die werden lieber inhaltlich kapitulieren“

Eine Variante, die auch für viele Christdemokraten außerhalb von Sachsen und Thüringen Charme hat. „Das wäre natürlich deutlich anstrengender, weil man sich für seine Vorhaben jedesmal neue Mehrheiten suchen müßte“, sagt ein JU-Funktionär der jungen freiheit, der als Delegierter auf dem Deutschlandtag beabsichtigt, seine Kritik an solchen Koalitionsplänen mit deutlichen Worten zum Ausdruck zu bringen.

Besonders in den mitgliederstarken Westverbänden der Nachwuchsorganisation habe man wenig Verständnis für einen derartigen „Verkauf der parteipolitischen Seele.“ Dabei machen sowohl Konservative als auch Progressive innerhalb der Union Front gegen das Bündnis. In der JU mehren sich zudem die Stimmen jener, die von Parteichef Friedrich Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein „Machtwort gegen solche toxischen Bündnisse“ erwarten. Das Problem dabei: Solange Merz noch kein Regierungschef ist, sind seine Einflußmöglichkeiten auf den als eigenwillig geltenden Michael Kretschmer und den nicht minder ambitionierten Mario Voigt begrenzt. Für ein „Das muß rückgängig gemacht werden“ im Stile Angela Merkels fehlen dem Sauerländer bisher noch die notwendigen Machtinstrumente.

Und an der Entschlossenheit der beiden Spitzenkandidaten haben auch ihre Kritiker keine Zweifel. „Die werden beide lieber einmal inhaltlich kapitulieren, um dann fünf Jahre möglichst streßfrei durchzuregieren“, prophezeit ein sächsischer Unionspolitiker im Gespräch mit der jungen freiheit, daß sich sowohl bei Kretschmer als auch bei Voigt letztlich die Bequemlichkeit der Wohlfühlpolitiker-Mentalität durchsetzen werde.