Wie ein Fossil ragt der B.Z.-Chefkolumnist Gunnar Schupelius in den heutigen Mainstream-Journalismus hinein. Der 61jährige vertritt im Laissez-faire-Berlin mit seiner linksgrünen politischen Dominanz beharrlich den bürgerlich-konservativen Gegenpol in der Lokalpresse. Schupelius sieht sich in dem Boulevardblatt des Axel-Springer-Verlags als Anwalt des „kleinen Mannes“, der durch Berliner Verrücktheiten oftmals unter die Räder kommt. Ob bei Ämterschlamperei, Vermüllung, Anti-Auto-Politik, Gewalt, Überfremdung oder Ideologisierung.
Beinahe lustvoll spießt der Autor die Malaisen seit 2005 in seiner täglichen Kolumne „Mein Ärger. Der gerechte Zorn des Gunnar Schupelius“ auf. Darüber hat er jetzt ein sehr persönlich geschriebenes Buch mit dem biblischen Titel „Der gerechte Zorn“ vorgelegt. In ihm finden sich in acht Themenblöcken vieldiskutierte Kolumnen der vergangenen Jahre wieder, eingeleitet mit einer Einordnung der politischen Verhältnisse Berlins.
Beispiel Geschichte. Hier merkt Schupelius in einer Kolumne an, daß im Vertriebenen-Dokumentationszentrum am Anhalter Bahnhof angesichts des Internationalisierungskonzepts „der Terror zu kurz kommt, der 1945 über die Deutschen hereinbrach“. Und: „Wer verhindert das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus?“, fragt Schupelius in einem anderen Text. Er erinnert an die neunjährige Verschleppung des Bundestags-Vorhabens durch die Regierungen Merkel (CDU) und Scholz (SPD).
Der Asylansturm, der eine Metropole wie Berlin besonders trifft, ist ein weiterer Schwerpunkt. Hier geißelt Schupelius eine „weltfremde Haltung“ mit der Vision „offener Grenzen“ in der Stadt, obwohl keiner weiß, wie man weitere Asylbewerber unterbringen soll. Dabei sind die vielen kriminellen arabischen Clans an der Spree wie die „Miri“ oder „Remmo“ eine Warnung früherer Versäumnisse in der Asylpolitik, mahnt Schupelius.
Besonders intensiv widmen sich die Kolumnen den Gefahren des „politischen Islam“. So werden auf den Straßen Berlins Juden zunehmend von Arabern attackiert. Die Politiker verschweigen aber gern die Tätergruppe, weil sie die Folgen ihrer grenzenlosen Asylpolitik nicht wahrhaben wollen.
Der gewalttätige Linksextremismus ist in Berlin seit 1967 ein großes Problem. Als frühes Ex-Mitglied des radikalen Berliner Grünen-Ablegers Alternative Liste hat Schupelius dafür ein besonderes Sensorium. Die „destruktive Ideologie“ der Linksextremen hat in Berlin überall ihre „Spuren hinterlassen“, befindet der Autor, auch in Berlins SPD. Und der Staat knickt immer wieder ein: ob ein Jugendamt die Miete für linke Hausbesetzer zahlt oder die Bundeswehr auf öffentliche Gelöbnisse verzichtet. Die Bewahrung der Freiheit steht bei dem „Berliner Mauerkind“, wie der Autor über sich sagt, ganz oben. So nahm Schupelius in der Corona-Zeit eine Außenseiterposition ein, als er von Anfang an überzogene staatliche Maßnahmen kritisierte. „Das Grundgesetz muß auch gegen die Regierung verteidigt werden“, betitelt Schupelius ein Kapitel.
Manche Kolumnen, die im Buch nicht abgedruckt sind, zeigen die Freiräume, die der Verlag einem eigensinnigen Kopf wie Schupelius einräumt. So, wenn er das Compact-Verbot als „zu weitgehend“ kritisiert, als evangelischer Christ seine Kirche aufs Korn nimmt, weil sie eine Anti-AfD-Kampagne zur Brandenburg-Wahl entfacht, oder Berlins Regierungschef Kai Wegner von der bei Springer gern verhätschelten CDU kritisiert, weil er allzu „viele Wünsche der SPD oder sogar der Grünen erfüllt“. Es bleibt das Geheimnis des Autors, wie er bei all den vielen Krankheitsbefunden dann vom „besten Deutschland, das es jemals gab“ sprechen kann. AfD-Anhänger dürften diese Haltung kaum teilen.
Schupelius ist eine echt (West-)Berliner Pflanze. Nach dem Geschichtsstudium an der TU Berlin spielte sich fast sein ganzes berufliches Leben an der Spree und beim Springer-Verlag ab. Die Fangemeinde für die Kolumnen ist groß. Schupelius hat aber auch viele Haßgegner. Und der Journalist wurde bereits zweimal Zielscheibe von linker Gewalt, als sein Auto abgefackelt wurde.
Einfluß auf die Linie des politisch oft beliebigen Springer-Verlags hat der Kolumnist nicht. Und den Absturz der früheren „Volkszeitung“ B.Z. von weit über 300.000 Auflage in den 1990ern auf heute knapp 75.000 in der 3,8-Millionen-Metropole konnte Schupelius’ „Ärger“ auch nicht verhindern. Trotzdem bleibt es ein Vergnügen, seine bodenständigen, politisch unkorrekten Kolumnen zu lesen.
Gunnar Schupelius: Der gerechte Zorn. Eine kritische Liebeserklärung an Berlin. Langen Müller Verlag, München 2024, 208 Seiten, 20 Euro
Foto: B.Z.-Journalist Gunnar Schupelius 2021: Bodenständig und politisch unkorrekt