Trittin. Selbst manchen seiner politischen Gegner mag eine leise Wehmut beschlichen haben, als Jürgen Trittin Anfang dieses Jahres sein Mandat im Bundestag niederlegte und sich aus der aktiven Politik verabschiedete. Eine „Type“ weniger. Einer, der nicht rundgelutscht, der – Achtung: Modewort – authentisch rüberkam, über den man sich zumindest ärgern konnte. Wie es sich für Ex-Politiker gehört, hat das langjährige Grünen-Alphatier nun seine Autobiographie vorgelegt. Der Bogen ist weit gespannt, vom Bremer Schülersprecher, linksradikalen Studenten-Funktionär in Göttingen, CDU-Schreck im niedersächsischen Landtag und Mit-Konstrukteur der ersten rot-grünen Bundesregierung bis zum Polit-Pensionär, den Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Ruhestand laudatiert. Viel Stoff für einen – selbstkritischen – Rückblick. Doch leider reicht Trittin bloß Häppchen, bleibt oberflächlich und geizt nur mit Eigenlob nicht. Schönfärberisch auch sein Blick zurück auf den berüchtigten „Mescalero-Nachruf“ auf den ermordeten Generalbundesanwalt Buback oder später auf die Rolle als „Vermittler“, sprich Verharmloser der linksextremen Szene Göttingens. Dazu reicht er dann noch politische Besinnungsprosa auf Klein-Fritzchen-Niveau: „Klimaleugner“ sind doof, Thilo Sarrazin ist ein Rassist, die AfD natürlich Einegefahrfürdiedemokratie, was schließlich „Correctiv“ wasserdicht bewiesen habe. (vo)
Jürgen Trittin:Alles muß anders bleiben. Eine politische Autobiographie. Verlag Droemer Knaur, München 2024, 378 Seiten gebunden, 25 Euro
Zukunftsideen. Ein dickes Brett, das Petra Pinzler bohren will. Die Zeit-Journalistin doziert in zwanzig Kapiteln darüber, was sich in Deutschland ändern muß, damit wir eine „gute Zukunft“ haben. Ausgangspunkt der meisten ihrer Überlegungen ist die Bewältigung der Klimakrise, die uns dazu zwinge, den Kapitalismus mindestens zu „zähmen“, wenn nicht gleich ganz abzuschaffen. Dies müssen in Pinzlers Augen auch die Parteien verinnerlichen, sofern sie zukunftsfähig sein wollen, wobei die Autorin kaum einen Hehl daraus macht, daß ihre persönlichen Sympathien bei Rot-Grün liegen. Es erstaunt, wie wenig Selbstreflexion die 59jährige an den Tag legt. Pinzler richtet ihre Ausführungen vor allem ans eigene Milieu und neigt immer wieder dazu, Andersdenkende kurzerhand als „die Populisten“ oder „die Feinde der Demokratie“ zu stigmatisieren. (dh)
Petra Pinzler: Hat das Zukunft oder kann das weg? Der Fortschrittskompaß. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2024, gebunden, 262 Seiten, 29 Euro