© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/24 / 18. Oktober 2024

Friedensbrücke oder Schlachtfeld
Eurasienperspektiven von Uwe Leuschner und Thomas Fasbender
Paula Sayatz

Durch den Krieg in der Ukraine scheint das öffentliche Interesse an Rußland in Westeuropa fürs erste abgeklungen. Doch Rußland ist zu groß, um es langfristig zu ignorieren, dachten sich wohl auch Uwe Leuschner und Thomas Fasbender und rekapitulieren die Zeit seit der Teilung Deutschlands bis heute. Die Publikation prägt ein autobiographischer Anstrich mit dem Ziel, der Nachfolgegeneration die Komplexität des Konfliktes rund um die Eurasienfrage historisch einzuordnen und zu erklären. Beide Autoren fassen dafür ihre Erfahrungen zusammen und ziehen Rückschlüsse aus heutiger Sicht. Leuschner arbeitete im DDR-Außenhandel und war ab 1996 über 25 Jahre lang Logistiker in Rußland. Sein Kollege Fasbender erlebte das Land in seiner Umbruchzeit zwischen Raubtierkapitalismus und „Demokratur“, also die Jahre 1992 bis 2015, als Unternehmer und Journalist. 

Der Begriff „Eurasienkomplex“ sei nicht geographisch, sondern psychologisch zu verstehen. Es ist die Angst vor einem eurozentristischen Weltbild und das Unverständnis von Ost und West für Politik, Wirtschaft und Kultur. Selbst bei Ost- und Westdeutschen sehen die Autoren die Kommunikation „bis heute auf keiner der drei Ebenen sonderlich ausgeprägt“. Und die Verständigung über Rußland bis hin nach China bleibt bis heute geopolitisch schwer zu bewältigen. Sie benennen Sorgen und Enttäuschungen, daß es kein friedliches Miteinander zwischen Ost und West mehr geben wird. 

„Zwei Brüche“ sehen sie als maßgebliche Indikatoren dafür. Einmal den Fall der Mauer 1989 und den Angriff auf die Ukraine 2022. „Wir hatten die Chance, nach 1990 auf eine nachhaltige europäische Friedensordnung hinzuarbeiten. Stattdessen haben wir, nicht nur im eigenen Land, auch in Europa den Westen Richtung Osten ausgewalzt“, bemängeln sie die mißlungene Friedenspolitik westlicher Regierungen. Sie plädieren gegen die „Schwarz-Weiß-Welt des 20. Jahrhunderts“ und mahnen, daß auch Westeuropa mittlerweile Teil Eurasiens sei – wegen der Flüchtlinge aus Nahost, mit denen „wir“ jetzt klarkommen müssen. 

Beide Autoren halten sich für keine unabhängigen Eurasien-Experten, da sie „nicht objektiv und distanziert über einen Gegenstand“ geschrieben haben, sondern aus dessen Mitte heraus.

Uwe Leuschner, Thomas Fasbender: Der Eurasienkomplex. Warum und wie dem Westen die Zukunft entgleitet.Verlag, Das Neue Berlin, Berlin 2024, broschiert, 256 Seiten, 20 Euro