Pflegefälle. Was tun, wenn die Eltern im Alter Hilfe brauchen? Mit dieser oft verdrängten Frage beschäftigt sich Volker Kitz in seinem Essay aus einem autobiographischen Blickwinkel. Er schildert die Demenzerkrankung seines Vaters. In den elf Kapiteln, die die fortschreitende Krankheit und die für die Kinder schmerzhaften Begleiterscheinungen beinhalten, taucht immer wieder die Frage auf: Wann begann das? Kitz versucht zu erfassen, ab welchem Punkt man als Angehöriger es hätte ahnen können, was mit dem Vater vor sich ging. Antworten sucht er bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Gedächtnis und Gedächtnisverlust in medizinischen und philosophischen Schriften. Seine persönlichen Reflexionen bettet Kitz ein in die kollektiven Krisenerfahrungen der vergangenen Jahre: Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Kitz befaßt sich auch mit dem gesellschaftlichen Wandel und dem Umgang mit pflegebedürftigen Angehörigen. Wo sich früher große Familien in Mehrgenerationenhaushalten kümmern konnten, geht in der deutschen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zumeist nichts mehr ohne die Pflegebranche. Der Autor versteht es, sensibel und nachdenklich das Thema in seinen unterschiedlichen Facetten darzustellen. (ag)
Volker Kitz: Alte Eltern. Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2024, gebunden, 240 Seiten, 23 Euro
Wasserdampf. Mystifikation, die: eine Begebenheit des alltäglichen Lebens mit dem Nimbus des Geheimnisvollen umgeben. Genau das tut der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin in seinem nun auf deutsch erschienenen Buch „Planet Aqua“. Dort macht er die bahnbrechende Entdeckung, daß es Wasser gibt. „Das Wasser ist unser Milieu, das Medium, in dem wir leben und gedeihen“, schreibt Rifkin. Vor allem Ertrinkende sind mit diesem Statement nicht einverstanden. Seit Jahrzehnten schon vertreibt der Berater mit seinen Donquichotterien die Langeweile der Mächtigen. Politiker aus der EU, den Vereinigten Staaten und China zitieren ihn gleichermaßen als Inspirationsquelle – was den seltsamen Charakter ihrer Politik erklären dürfte. Der Wasserdampfplauderer setzt fort: „Wasser ist allgegenwärtig, es bestimmt jeden Moment unserer physischen Existenz und unserer sämtlichen Beziehungen zur Welt, auch wenn wir es oft nicht wahrnehmen, weil es das Element ist, in dem wir leben.“ Und weil es das Element ist, in dem wir leben, wenn wir einen Wasserrohrbruch haben, kann der Publizist allen möglichen Unsinn schreiben. Etwa, daß Gott in der Bibel über dem Wasser schwebe oder daß das Geräusch von Wasser angenehm sei. Anders als sein entfernter Namensvetter, der Biologe Gary Ruvkun, wird Jeremy Rifkin dafür keinen Nobelpreis bekommen. (fw)
Jeremy Rifkin: Planet Aqua. Unser Zuhause im Universum neu denken.Campus Verlag, Frankfurt am Main 2024, gebunden, 304 Seiten, 32 Euro