Sehr geehrter Herr Eiber, Sie haben Caspar von Schrenck-Notzings Kriminalnovelle herausgegeben. Wie sind Sie darauf gestoßen?
Eiber: Ich habe rund fünf Jahre zum Leben, politischen Denken und dem publizistischen Wirken Caspar von Schrenck-Notzings geforscht. Dabei stellte sich heraus, daß es Teilnachlässe, aber keinen originären Privatnachlaß Schrencks gibt. Diese Lücke wollte ich schließen und habe deshalb die weit verstreuten Nachlaßstücke – von Briefen über Manuskripte bis zu einer Familienchronik aus dem 19. Jahrhundert – ausfindig gemacht und alles zusammentragen. Dabei bin ich mit Hilfe von Schrencks Sohn Alexander auch auf das Romanfragment gestoßen.
CSN zählte zu jenen konservativen Köpfen, die sich dem 68er-Zeitgeist politisch-kulturell entgegenstemmten. Hat es Sie überrascht, daß er auch eine solche Erzählung geschrieben hat?
Eiber: Das war sicherlich überraschend, gleichwohl Schrenck Zeitzeugen von diesem Projekt erzählt hat. Schrenck war ein Intellektueller. Anfangs mit seinen ersten beiden großen Büchern, der „Charakterwäsche“ und den „Zukunftsmachern“, mehr politischer Schriftsteller, später dann mit Criticón hauptsächlich Zeitschriftenmacher und Publizist. Einen Hang zur Belletristik hatte er nicht. Schrencks Urgroßvater war der bayerische Heimatschriftsteller Ludwig Ganghofer. Dessen Romane interessierten Schrenck aber nicht, er ließ sie sich nur einmal in den 1990er Jahren vorlesen, als er wegen eines Augenleides striktes Leseverbot auferlegt bekommen hatte. Vielleicht fand er an seinem Lebensabend mit dem Spätwerk „Schwere Wetter, Schwere Reiter“ gedanklich in diesen Familienkreis zurück.
Die Erzählung komplettiert ein intellektuelles Leben
Die Erzählung scheint fragmentarisch geblieben zu sein. Wissen Sie, warum? Und ist das der Grund dafür, warum Schrenck-Notzing sie nicht zu Lebzeiten veröffentlicht hat?
Eiber: Ich vermute, der Grund ist ein recht einfacher: Schrenck wußte wohl nicht, wie es hätte weitergehen können. Fortschreibungsversuche, die aus der Familie kamen, überzeugten ihn nicht. Ein Krimi braucht aber auch kein Ende. Was noch kommen könnte, bleibt guten Gewissens der Phantasie des Lesers überlassen.
Die Geschichte trägt offensichtlich autobiographische Züge. Wie weit gehen diese?
Eiber: Schrenck verwebt seine eigene Biographie vom Konkreten bis ins Anekdotenhafte in die Erzählung. Schrencks Leben bildet das Gerüst der Geschichte. Das beginnt beim Titel: Die „Schweren Reiter“ sind Schrencks wache Erinnerung an seinen Vater Gustav, der im Ersten Weltkrieg im Schwere-Reiter-Regiment Prinz Carl von Bayern diente – und den Schrenck im Alter von 16 Jahren verlor. Die Schlußszenen am Münchner Waldfriedhof, wo das Grab der Schrencks liegt, und in der Villa-Karbunkel, dem Haus der Schrencks am Ostufer des Starnberger Sees, sind Familiengeschichte. Anderes, wie die Geheimdienstkarriere des Tryphon Karbunkel, hat natürlich nichts mit Schrencks eigener Biographie zu tun. Das entstammt der Phantasie eines süddeutschen Konservativen
Welche Bedeutung räumen Sie der Novelle im gesamten Œuvre Schrenck-Notzings ein?
Eiber: Thomas Mann und die Seinen können den Schlaf der Gerechten weiterschlafen. Schrenck wird die rühmliche Ruhe der Literaturnobelpreisträger nicht stören. Die Erzählung erschließt die Person, sie komplettiert ein intellektuelles Leben. Darin liegt ihr Wert. Zur Politisierung eignet sie sich – im Gegensatz zu Schrencks langjährigem Wirken – nicht.
Gibt es künftig vielleicht weitere publizistische Entdeckungen im Nachlaß von Schrenck-Notzing zu machen?
Eiber: Schrenck hat zu Lebzeiten viele seiner Gedanken unterbringen können. Sei es in den sechs Büchern, die er geschrieben hat, oder in seiner Zeitschrift Criticón. Eine ganzheitliche Biographie des konservativen Intellektuellen Caspar von Schrenck-Notzing fehlt bis dato noch. Lassen Sie sich überraschen.
Alexander Eiber, Jahrgang 1993, ist Diplom-Politologe und forschte über Jahre hinweg zum Leben und Denken Caspar von Schrenck-Notzings. Heute lebt er als Publizist in Wien.