© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/24 / 18. Oktober 2024

Filmkritik / Der Buchspazierer
Die Kraft der Literatur
Thorsten Thaler

Der Buchhändler Carl Kollhoff ist ein Büchernarr. Der zurückgezogen in seiner eigenen Welt lebende, mürrische, wortkarge ältere Mann schätzt Bücher mehr als Menschen. Tag für Tag steht der Eigenbrötler (Christoph Maria Herbst) im Hinterzimmer einer Buchhandlung und wickelt sorgfältig Bücher in Papier ein, um sie einigen besonderen Stammkunden nach Hause zu bringen. Diese nennt er für sich ob ihrer Eigenschaften nach Romanfiguren wie Frau Langstrumpf, Effi Briest, Mister Darcy oder Herkules. Er packt die bestellten Bücher in seinen Tornister-Rucksack und spaziert damit durch die kopfsteingepflasterten pittoresken Gassen der fiktiven Kleinstadt zu seinen exzentrischen Kunden.

Eines Tages schließt sich ihm unvermittelt die neunjährige Schascha (Yuna Bennett) an. Dem scheuen Kollhoff ist das überhaupt nicht recht, ein ums andere Mal weist er das aufgeweckte, vorwitzige Mädchen von sich. Schließlich jedoch läßt er sich widerwillig von ihr auf seinen Botengängen begleiten, und mit der Zeit freunden sie sich immer mehr an. Die Halbwaise Schascha nennt ihn den „Buchspazierer“ und wirbelt fortan durch ihre offene, direkte Art nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Stammkunden durcheinander. Doch dann verkündet die neue Inhaberin des Buchladens Kollhoff, daß seine Botendienste nicht mehr benötigt werden …

„Der Buchspazierer“ (Regie & Kamera: Ngo The Chau) basiert auf dem gleichnamigen, 2020 erschienenen Bestsellerroman von Carsten Henn, einer Hommage an die verbindende Kraft von Büchern und der Magie des Lesens. Oder wie es Ernst Jünger einmal notierte: „Tröstlich wie immer bleiben die Bücher als leichte, zuverlässige Schiffe für Fahrten in Zeit und Raum und darüber hinaus. Solange noch ein Buch zur Hand und Muße zum Lesen da ist, kann eine Lage nicht verzweifelt, nicht gänzlich unfrei sein.“

Getragen wird die Literaturverfilmung von ihren beiden Protagonisten, allen voran Christoph Maria Herbst. In einem Interview erklärte der 58jährige Schauspieler kürzlich, das Buch für unverfilmbar gehalten zu haben. Nun spielt er den „Buchspazierer“ so virtuos, daß man ihn künftig hoffentlich nicht mehr nur hauptsächlich mit seiner Paradefigur „Stromberg“ in Verbindung bringt, wenn sein Name fällt, sondern auch mit dieser Rolle. In Nebenrollen übrigens:  Maren Kroymann und Ronald Zehrfeld.


Der Buch­spazierer: Die Komödie läuft seit 10. Oktober im Kino. Auf Blu-ray erscheint der Film voraussichtlich Ende Februar 2025.