Zwei Drittel des EU-Haushaltes fließen alljährlich in die Landwirtschaft und die Regionalpolitik, meist jene des europäischen Südens und des Ostens zum Zwecke der allgemeinen „Kohäsion“. Die gemeinsame Agrarpolitik wurde 1957 erfunden, um Frankreich und Italien für den deutschen Zugang zu ihren Industriemärkten in der neuen EWG zu entschädigen, und die Kohäsionspolitik, um bei der Schaffung des EU-Binnenmarkts 1993 die armen Randregionen zu fördern.
Einmal eingeführt sollten sie das ewige Leben haben, zumal die Brüsseler Lobbys und die diversen Projektverwalter damit ein gutes, nicht allzu stressiges Auskommen fanden. So werden der sonnige Mezzogiorno oder Korsika seit gut 70 Jahren mit Milliardenbeträgen gefördert, ohne daß sich an ihren Entwicklungsrückständen irgend etwas geändert hätte.
Wer bei Gender oder beim Klima nicht pariert, geht leer aus
Und trotz der Agrarmilliarden setzt sich das Bauernsterben Jahr um Jahr um zwei Prozentpunkte fort. Damit auch den Nettozahlern im Norden die Positiva der EU-Förderpraxis vorgeführt werden können, hängt mittlerweile an jedem zweiten Kinderspielplatz ein Dankesschild mit den EU-Sternchen, weil Schaukel oder Rutsche nach dickleibigen Förderanträgen mit EU-Geldern gesponsert wurden, während in Polen, Spanien, Portugal und auf dem Balkan neue großstädtische U-Bahnen und Autobahnen (nicht aber die maroden Bahnlinien) zur Rettung des Weltklimas finanziert werden. Kurz, der Reformbedarf jener organisierten Geldverschwendung, die allein in 398 Programmen der Regionalfonds und in 54 Agrartöpfen unnachvollziehbar versickern, ist unbestreitbar – am besten, indem man der EU 90 Prozent ihrer Mittel streicht.
„Paris ist der größte Nutznießer der europäischen Agrarfonds: Im laufenden Haushaltszeitraum (2021–2027) wird Frankreich allein aus diesem Posten des EU-Haushalts voraussichtlich mehr als 386 Milliarden Euro einstreichen. Auf der anderen Seite ist Warschau der Mitgliedstaat, der die meisten Kohäsionsmittel erhält: 392 Milliarden Euro im laufenden Siebenjahreszeitraum“, betont das italienische Portal Eunews.
Doch plant Ursula von der Leyen, wen überrascht’s, zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit anderes. Für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 will sie die meisten EU-Gelder, die immerhin die Kleinigkeit von insgesamt 1,2 Billionen Euro ausmachen werden, direkt als „Zuschüsse“ und Belohnung für politische Willfährigkeit zur Finanzierung ihrer jeweils aktuellen Lieblingsprojekte an die Staatskassen zurückzahlen. Jedes Land soll einen Siebenjahresplan seiner europolitischen Korrektheit vorlegen, nach dessen Prüfung und Billigung durch eine Arbeitsgruppe im Generalsekretariat der Kommission unter ihrem Vorsitz die Gelder tranchenweise fließen sollen.
Kommissare und ihre Generaldirektionen dürfen bei jener Machtzentralisierung nur noch zuschauen, das EU-Parlament mit seiner Ausgabenhoheit gleichfalls, ebenso wie der EU-Rechnungshof und der Ausschuß der Regionen. Parlamentarier auch der eigenen Christdemokraten haben bereits gegen ihre „Dirigierpeitsche“ sowie der Bauernverband und 130 europäische Regionen in einem offenen Brief protestiert. Die Bedingungen von der Leyens sind noch nebulös. Klar scheint zu sein: Die Mitgliedstaaten müssen sich an Gender-, Klima- und Renaturierungsauflagen halten, die Biolandwirtschaft einführen, Sozialwohnungen bauen, Forschungsgelder in den von Mario Draghi geforderten riesigen „EU-Wettbewerbsfonds“ von 800 Milliarden Euro jährlich stecken, über den sie weiter als persönlichen Reptilienfonds verfügen will, und „Europäische Champions“ als Rüstungs-, Pharma-, Telekom- und Rohstoffkonzerne schmieden. Selbstverständlich wird die von niemandem – außer den 27 Regierungschefs – gewählte Kommissionspräsidentin je nach Gusto wie gehabt noch weitere Bedingungen verkünden.
Vorbild ist der gründlich mißglückte Corona-Wiederaufbaufonds. 2021 von der Kommission trefflich „Next Generation EU“ umbenannt, weil die nächste Generation die bis 2026 auf 444 Milliarden Euro aufgelaufenen Schulden, nebst Zinsen, zurückzahlen muß. Mit der Zuordnung dieser Gelder begünstigte von der Leyen politische Favoriten wie die damalige Regierung Mario Draghi, die etliche Millionen sogleich in Sportstadien bei Venedig und in Florenz versenken wollte und Villenbesitzern die Gratiswärmesanierung ihrer luftigen Sommerresidenzen anbot, sowie den Wahlsieg von Donald Tusk in Polen, obwohl das Land unter Corona am wenigsten gelitten hatte.
Doch stellte der EU-Rechnungshof nüchtern fest, daß die Ziele dieses Aufbaufonds, nämlich die Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und produktiver Investitionen durch jenen warmen Geldregen nicht erkennbar gestärkt wurden. Ursächlich für sein Verpuffen waren die hohe Euro-Inflation, die überhöhten Energiepreise, Lieferkettenprobleme, der Arbeitskräftemangel und unfähige aufgeblähte Verwaltungen. Im neuen EU-Finanzrahmen dürfte dies nicht viel anders sein. Tatsächlich aber scheint das Hauptmotiv von der Leyens zu sein, so wie in Zeiten des Corona-Fonds, nach amerikanischem und chinesischem Muster spektakuläre Milliardenbeträge anzukündigen und dann von Hauptstadt zu Hauptstadt zu tingeln, um bei Fototerminen gnädigst mit mechanischem Dauerlächeln und ernstlichen politischen Ermahnungen dicke Schecks vor klickenden Kameras auf dem roten Teppich zu überreichen.
Das Tauziehen um die Haushaltsreform beginnt erst
Doch einer soll leer ausgehen: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán als Lümmel von der letzten EU-Bank. Als er jüngst recht spät, aber doch die Prioritäten der ungarischen Ratspräsidentschaft, die schon im Juli begonnen hatte, vor dem Parlament in Straßburg und ihrer krawallierenden Linken, dargestellt hatte – normalerweise werden bei solchen Gelegenheiten diplomatische Artigkeiten ausgetauscht –, wird er von von der Leyen persönlich angegriffen: wegen seiner Grenz- und Energiepolitik über die Beziehungen zu China und Rußland bis zu angeblichen Begünstigungen in seinem persönlichen Umfeld.
Damit erkaufte sie sich den Beifall der Schwarzen, Gelben, Linken und Grünen im EU-Parlament. Doch braucht es für den EU-Finanzhaushalt die einstimmige Zustimmung aller EU-Regierungs-chefs. Die Verhandlungen für den nächsten MFR werden 2025 offiziell eröffnet und dürften sehr hitzig werden. „Das Tauziehen hat gerade erst begonnen und wird mit Sicherheit noch lange andauern“, so Eunews.
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