© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/24 / 18. Oktober 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Weniger wäre mehr
Paul Rosen

Untersuchungsausschüsse sind eine langwierige Angelegenheit. Im Bundestag machte sich in der vergangenen Woche ein weiterer ans Werk: Nachdem bereits die Hintergründe des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan aufgeklärt werden sollen, bemüht sich jetzt der zweite Ausschuß unter Leitung von Stefan Heck (CDU), die Umstände des deutschen Atomausstiegs auszuleuchten.  

Im Kern geht es darum, ob die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 27. Februar 2022 zugesagte ergebnisoffene Prüfung über einen Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke, die eigentlich zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden sollten, überhaupt stattgefunden hat. Auf Weisung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekamen die Reaktoren eine Gnadenfrist bis 15. April 2023.  Am 7. März 2022 hatten das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium in einem gemeinsamen Vermerk den Weiterbetrieb aus Gründen der nuklearen Sicherheit abgelehnt. Heck meint aufgrund der Aktenlage und der Äußerungen, es sei derzeit davon auszugehen, „daß die Minister Habeck und Lemke die Wähler über den Ausstieg aus der Kernenergie nicht zutreffend informiert und in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt haben“.

Um das zu belegen, hat sich die Union ein riesiges Pensum vorgenommen. Die Fraktion legte eine Liste mit 500 Namen aus Umwelt- und Wirtschaftsministerium vor, die sie möglicherweise vernehmen wolle. Grund war wohl, daß sich die Leitungen beider Ressorts geweigert hatten, die an den Prüfungen beteiligten Mitarbeiter zu benennen. Im Bundestag wird gespottet, die Union habe offenbar die Namen aus den Organigrammen herauskopiert. Denn die Fraktion habe zehnmal so viele Zeugen benannt, wie man überhaupt werde vernehmen können.

Viel Zeit hat das Gremium für die Aufklärungsarbeit nicht. Im März, spätestens im April, müssen die Zeugenvernehmungen abgeschlossen sein. Denn dann muß der zumeist mehrere hundert Seiten starke Abschlußbericht geschrieben sein, über den dann im Bundestag noch umfangreich zu debattieren sein wird. Anfang Juli ist die Legislaturperiode faktisch vorbei, weil das Parlament in die Sommerpause geht. Mit der Bundestagswahl am 28. September 2025 wird sich der Untersuchungsauftrag endgültig erledigt haben.

Möglicherweise klären Heck und seine Mannen zu gründlich auf. Die stundenlangen Vernehmungen von Ministeriumsreferenten sind wenig zielführend, denn niemand von ihnen wird gegen die Hausleitung aussagen, weil dann die nächste Beförderung in weite Ferne rücken dürfte. Ebenso begibt sich die Union mit der Befragung von Vertretern anderer Behörden wie dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, dem Bundesamt für Strahlenschutz oder dem Bundesumweltamt auf Nebenkriegsschauplätze. Vielleicht hätte man gleich Minister Habeck vorladen sollen oder auch den Kanzler. Aber Scholz dürfte sich wie schon bei Cum-Ex wieder an nichts erinnern.