Gleich der erste Satz macht deutlich, warum sich die sechs ehemaligen CDU-Politiker zu ihrem ungewöhnlichen Schritt entschlossen haben: „Wir haben Sorge um unser Land“, heißt es am Beginn des offenen Briefes, den die einstigen Landräte, Abgeordneten und Minister vergangene Woche an ihre Partei adressierten. „Haß und Hetze nehmen zu. Die Gewalt gegen politische Mandatsträger steigt“, konkretisieren die Autoren ihre Sorgen in dem Schreiben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Außerdem stagniere die Wirtschaft, und die „Migrationsfrage wird ungelöst vor sich hergeschoben“. Eine Folge: „Immer weniger Menschen, insbesondere im Osten Deutschlands, vertrauen der Demokratie.“
In dem offenen Brief fordern die Unterzeichner eine neue politische Kultur des Miteinanders. „Der politische Gegner darf, solange er keine Gewalt anwendet, nicht als Feind gesehen werden.“ Die Schlußfolgerung daraus: Alle demokratisch gewählten Abgeordneten müßten „auch mit allen demokratisch gewählten Abgeordneten reden – auch mit der AfD!“ Es brauche „Brückenbauer und keine Brandmauern“. Immerhin hätten im Freistaat 30 Prozent der Wähler diese Partei gewählt, argumentierten die CDU-Politiker.
Zu denen, die dies fordern, gehört neben drei früheren Landräten auch der ehemalige sächsische Landwirtschaftsminister und einstige Generalsekretär der Sachsen-CDU, Frank Kupfer. Er betonte, seine Partei müsse sich in der Folge der Landtagswahl nach anderen Mehrheiten umgucken. Die CDU könne „als Partei der Mitte auf Dauer nicht nur mit links von ihr stehenden Parteien zusammenarbeiten, ohne ihre eigene freiheitliche und marktwirtschaftliche Identität zu riskieren“. Zentrale Ziele der Partei ließen sich nicht in einer Koalition mit „Rot-Grün-Dunkelrot“ verwirklichen. Der Sächsischen Zeitung sagte Kupfer: „Wir haben nur die Angst formuliert, daß die CDU für die konservativen Wähler irgendwann nicht mehr wählbar ist, wenn sie immer weiter nach links rückt. Unsere Angst ist, daß dann noch mehr Leute zur AfD gehen.“
Ablehnung erfährt der Brief hingegen von derzeit amtierenden CDU-Politikern. Der Leipziger Landrat Henry Graichen sagte, er lehne das Ansinnen ab, sollte der offene Brief der Parteimitglieder auf eine Regierungsbeteiligung der AfD abzielen. In der AfD gebe es viele Menschen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung und Teile des Grundgesetzes ablehnen, behauptete Graichen. Zwar teile er die Sorgen um das Land. Doch diesen Sorgen müsse man begegnen, indem man die Probleme löse.
Auch der sächsische CDU-Landesverband widersprach den Vorschlägen der Briefschreiber. „Wir haben eine Regierung mit der AfD und der Linkspartei vor der Wahl klar ausgeschlossen.“ Im Landtag hätten alle Parteien und Abgeordneten die gleichen demokratischen Rechte.
Kupfer wiederum warnte im Gespräch mit der Sächsischen vor einer Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Dieses verkörpere „Kommunismus pur“. Es gebe viele CDU-Mitglieder, die aus der Partei austreten wollten, sobald eine Koalition mit dem BSW zustande komme.