© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/24 / 11. Oktober 2024

Buchen sollst du suchen
Baumfrüchte sind nicht nur zum Basteln da: Bucheckern sind ein unterschätztes „Superfood“ für vielseitige Rezepte
Ludger Bisping

Im Herbst sind sie kostenlos verfügbar, und jetzt fallen sie wieder massenhaft von den Bäumen: Eicheln, Eßkastanien und Bucheckern. Was Eichhörnchen und Wildschweine erfreut, ist auch für Menschen genießbar. Die Früchte der Rotbuche sind in der Küche vielseitiger verwendbar, als man denkt. Wer die Buchennüßchen nicht auf Biomärkten oder im Reformhaus kaufen will, kann sie jetzt einfach selbst draußen sammeln.

Doch wer Bucheckern gleich handvollweise wie Erdnüsse knabbert, bekommt bald Beschwerden: Die Baumfrüchte enthalten schwach giftige Alkaloide und den Stoff „Fagin“ (Fagus, lat. = Buche), die Bauchschmerzen und Übelkeit verursachen. Aber es gibt eine einfache Möglichkeit, die Gifte zu neutralisieren: das Rösten.

Vor der Pfanne kommt das Schälen. Tip: Übergießen Sie die Bucheckern mit kochendem Wasser, so weichen die Schalen auf und lassen sich mit einem kleinen Obstmesser leicht entfernen. Dann werden die Bucheckern ohne Fett in der Bratpfanne knusprig braun geröstet und entfalten dabei ihr nussiges Aroma.

Neben Pesto, Öl und Kraftriegeln sind viele Teigwaren möglich

Die kleinen braunen Früchtchen sind nahrhaft und gesund: Ihr Fettanteil liegt bei rund 40 Prozent, außerdem enthalten sie Eisen, Zink, Calcium und Vitamine. Das macht sie zu einem natürlichen „Power Food“. Daher waren Bucheckern in früheren Notzeiten sehr begehrt, heute sind sie als Lebensmittel fast vergessen.

Zu Unrecht, denn die „Bucheln“, wie sie altertümlich heißen, eignen sich für viele Rezepte. Wie wär’s mit einem herzhaften Brotaufstrich aus gehackten Bucheckern mit Quark, Kräutern, Öl, Salz und Pfeffer? Wer beim Sammeln richtig ehrgeizig ist, kann die Bucheckern auch schroten und aus dem Mehl Brot, Pizza, Nudeln oder Kekse mit einer feinen Nußnote backen.

Pesto-Liebhaber können die üblichen Pinienkerne durch Bucheckern ersetzen, und natürlich machen sich die gerösteten Kerne auch gut als Salatzutat oder als Garnitur für Kuchen und Süßspeisen. Geröstet, gesalzen und mit braunem Zucker karamelisiert wird aus den dreieckigen Baumfrüchten ein selbst gemachter Energie-Riegel.

Wer besonders delikates Bucheckernöl herstellen will, muß entweder lange sammeln oder ziemlich tief in die Tasche greifen. Für einen Liter der exquisiten Spezialität benötigt man fünf bis sieben Kilo Bucheckern. Dafür erhält man ein sehr gesundes Speiseöl, das sich lange lagern läßt und sich zum Braten ebenso eignet wie als kaltes Salatdressing. Im Handel kosten 100 Milliliter dieser Spezialität um die zwanzig Euro. In den ersten Nachkriegsjahren soll Bucheckernöl in Ermangelung von Elektrizität auch als Lampenöl genutzt worden sein.

Auch als Kaffee-Ersatz kamen Bucheckern in der Not am Ende des Weltkrieges zum Einsatz, ebenso wie Kaffeesurrogate aus Eicheln oder Getreide. Ein frisch aufgebrühter Bucheckernkaffee ist zudem gesünder als das koffeinhaltige Original.

Nächster Tip: Wer im Wald Bucheckern zum Verspeisen aufliest, sollte die Schalen der Fruchtbecher nicht wegwerfen. Aus ihnen lassen sich herbstliche Deko-Artikel wie Türkränze oder Tischgestecke basteln.

Deutschland ist übrigens das zentrale Verbreitungsgebiet der Rotbuche und beherbergt rund ein Viertel des weltweiten Bestandes. Ohne menschliche Forstwirtschaft wäre die Buche die dominierende Baumart unserer Wälder. Der Baum produziert erst ab einem Alter von mindestens vierzig Jahren Früchte. Buchen werden bis zu 300 Jahre alt. Nach einem heißen Jahr trägt die Buche besonders üppig. Außerdem kommt es etwa alle drei bis sechs Jahre zu einem „Mastjahr“ mit reicher Ernte.

Wechselfeuchte Bedingungen mit Starkregen und langen Hitzeperioden setzen der Buche am ärgsten zu, denn sie bevorzugt ein ausgeglichen moderates Klima. Allerdings hat die anpassungsfähige Art auch schon verschiedene erdgeschichtliche Kalt- und Warmzeiten überstanden. Der Baum, auf den das Wort „Buchstabe“ zurückgeht, wird also noch weiterhin aromatische Früchte spenden.

Foto: om Baum über die Früchte bis zu diversen Produkten: Nussiges Aroma und vielseitig