Oswald Spengler. Tagungsbände, die den Ertrag wissenschaftlicher Konferenzen versammeln, sind verlegerisch ein hartes Brot, da die Nachfrage selten über den engsten Kreis von Spezialisten hinausreicht. Wenn dann aber ein Band, der eigentlich auf größere Aufmerksamkeit rechnen darf, weil er sich dem weiterhin hochaktuellen Geschichtsdenker Oswald Spengler (1880–1936) widmet, mit überwiegend englischsprachigen Aufsätzen gefüllt wird, gleicht das einer selbsteingebauten Absatzsperre. Es sei denn, man setzt wie die Internationale Oswald Spengler Society voraus, daß der Schwerpunkt des Interesses an dem hierzulande politisch-weltanschaulich noch immer „umstrittenen“ Autor von „Der Untergang des Abendlandes“ (1918/22) jetzt in der angelsächsischen Welt liegt. Dort wird in vergleichender Perspektive „Spengler weitergedacht“, wie vier von zehn Beiträgen ihres auf Zivilisationsvergleiche konzentrierten Tagungsbandes zu entnehmen ist, die den „Islam-West-Conflict“, den islamischen Geschichtsphilosophen Ibn Haldūn (1332–1406), den „ewigen Kampf“ der Kulturen auch unter Berücksichtigung ökologischer Perspektiven abhandeln und reichlich frei phantasieren über die abendländische Erneuerung durch die spirituelle Kraft der reformierten russischen Orthodoxie. (dg)
David Engels, Gerd Morgenthaler, Max Otte (Hrsg.): Von Herodot zu Spengler. Zivilisationsvergleiche quer durch Zeit und Raum. Manuscriptum Verlag, Lüdinghausen 2024, gebunden,
236 Seiten, 25 Euro
Nemmersdorf. Auf zweierlei Wagnis haben sie die Macher des Comic-Buches über die schrecklichen Kriegsverbrechen der Roten Armee im ostpreußischen Ort Nemmersdorf im Oktober 1944 (Seite 20) eingelassen. Läßt sich, erstens, das Grauen in einer profanen Bildgeschichte wiedergeben, und zweitens, setzt man sich in unserer, deutsche Opfer von Kriegsverbrechen in der Erinnerung an den Rand drängenden Gesellschaft nicht dem Verdacht aus, „relativieren oder aufrechnen zu wollen“? Die erste Frage hat bereits vor Jahrzehnten der US-Cartoonist Art Spiegelman mit seiner „Maus“-Comic-Adaption des Holocaust positiv beantwortet. Die anderen, vom Verleger Michael Schäfer im Vorwort aufgeworfenen Bedenken, dürften nur geschichtsblinde Ignoranten bejahen, bemüht sich der Nemmersdorf-Comic doch wahrhaft überzeugend, seinem Anspruch als „dokumentarischer Bildroman“ gerecht zu werden. So tauchen tatsächliche Zeitzeugen wie der Regimentsarzt Dr. Otto Meyer oder die ihre ermordeten Eltern identifizierende Luftwaffenhelferin Gertrud Hobeck zeichnerisch wieder auf, die damals nach der Befreiung von den sowjetischen Mordbrennern den Tatort aufsuchten. Damit wird ein zeitgeschichtlicher Mehrwert geboten. (bä)
Markus Pruss, Paul Freytag: Oktober 44. Die Befreiung von Nemmersdorf. Hydra Verlag, Das Neue Berlin, Berlin 2024, gebunden, 60 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro