Das Quatuor Tchalik befreit Maurice Ravels einziges Streichquartett in F-Dur (1903) aus der Zwangsehe mit dem von Debussy und läßt es sich gegen das zweite und dritte Quartett (1922 und 1928) von Boris Ljatoschinski bewähren, drei Jugendwerke, gespielt wie aus einem Guß.
Ravel und Ljatoschinski suchten nationales Idiom in die unkonventionell gehandhabte klassische Sonatenform einzubringen und mit ihrem Personalstil zu amalgamieren. Bei Ravel sind spanisch-baskische Anklänge und russische, der Neuerungen der Komponisten des Mächtigen Häufleins wegen, die für den französischen Impressionismus konstituierend waren, deutlich auszumachen. Ljatoschinski (1895–1968) war Professor am Konservatorium Kiew und Moskau. Wer wollte da russisches und ukrainisches Idiom sauber voneinander scheiden können? Sein Erproben freier Tonalität und erweiterter klanglicher Möglichkeiten balanciert zwischen nachholendem Expressionismus und russischem Futurismus, dessen Konsequenzen sich der nachmalige Funktionär im Verband der Komponisten der UdSSR dann verweigern sollte. Sein zweites Quartett geht einen Schritt zurück und zwei Schritte vorwärts: von der Sonatenform zur Suite.
Die graphische Gestaltung des Albums ist von Werken der großen russisch-französischen Malerin, Graphikerin, Bühnen- und Textilkünstlerin Alexandra Exter inspiriert. Die Geschwister Tchalik finden ihre ukrainischen Wurzeln in der russisch-sowjetischen Avantgarde – und deren großer Utopie einer Weltmusik.
Ljatoschinski, Ravel. Alkonost Classic 2024, Quatuor Tchalik:
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