Nun ist die Übernahme der Commerzbank-(CoBa; JF 39/24) zum Politikum geworden. Nur wenige Tage nach Mario Draghis Bericht zur EU-Wettbewerbsfähigkeit, der eine stärkere Integration des Kapitalmarkts fordert, verfällt Olaf Scholz in die alte Kleinstaaterei. Der Kanzler spricht von „unfreundlichen Attacken, feindlichen Übernahmen“ – etwas verfrüht, denn noch hat Unicredit nur ein Aktienpaket gekauft, aber noch kein Übernahmeangebot vorgelegt. Damit machte Scholz keine gute Nummer im Ausland, bei Verdi hingegen schon. Die Gewerkschaft hatte sogar gefordert, die CoBa als kritische Infrastruktur wie Energieversorger und Krankenhäuser einzustufen.
Unicredit-Chef Andrea Orcel spielte darauf an, als er die Übernahme als „Testfall“ für die EU-Kapitalmarktunion bezeichnete. Noch ist eine Übernahme ein Szenario unter vielen. Die Mailänder Großbank hat sich bis zu 21 Prozent der Aktien gesichert: 4,5 Prozent vor der Ankündigung des Verkaufs der Bundesbeteiligung; dann schnappten sich die Italiener das Paket des Bunds und noch ein paar Aktien zusätzlich. Zum 23. September kam Unicredit auf insgesamt 9,51 Prozent. Sie soll weitere zwölf Prozent über Derivate halten. Erreicht Unicredit eine 30prozentige Beteiligung, verlangt das Wertpapiererwerbsgesetz ein Pflichtangebot zur Übernahme – egal, ob die Beteiligten wollen oder nicht.
Die Frage ist, was die Unicredit durch die Übernahme erreichen will. Mit der Hypovereinsbank (HVB) hält sie bereits seit 2005 eine bayerische Regionalbank mit zwei Millionen Privat- und 6.000 Firmenkunden. Mit der CoBa käme ein bundesweites Filialnetz mit elf Millionen Privatkunden und 26.000 Firmenkunden dazu, abzüglich ein paar Prozent Überlappung. Für eine Expansion im deutschen Markt ist das hochinteressant. Es ist aber auch klar, daß die CoBa unattraktiv ist und bei allen Indikatoren der Unicredit hinterherhinkt. Bei Eigenkapitalquote, Gewinnmargen und Liquidität schneidet Unicredit deutlich besser ab, nur beim Rating steht die Commerzbank mit „A“ eine Stufe über dem „BBB“ der Unicredit. Im Fall einer Übernahme wird Unicredit also aufräumen müssen. Ein Großteil der Zentrale von HVB und Commerzbank dürften sich überschneiden. Beim Filialnetz gibt es Überschneidungen in Bayern.
Trotzdem dürfte es zu Rationalisierungen kommen. Mit Abheften und Lagern von Überweisungsformularen und deren Durchschlägen werden mit Zunahme des Onlinebankings immer weniger Mitarbeiter beschäftigt. Bei der HVB wurde das Filialnetz bereits zeitgemäß ausgedünnt, bei der CoBa dürfte noch Nachholbedarf bestehen. Für eine italienisch-deutsche Fusion spricht auch die erfolgreiche Integration der Dresdner Bank in die Commerzbank. Die Erfahrungen ließen sich auf die Integration der HVB anwenden. Laut der neuen CoBa-Chefin Bettina Orlopp überschneiden sich die Institute gerade im Firmenkundengeschäft – da stellt sich dann allerdings die Frage, warum die CoBa so viel schlechtere Margen hat, wenn sie die gleichen Kunden bedient – und die Antwort dürfte nicht positiv für die ehemalige McKinsey-Partnerin Orlopp ausfallen.
Zwölf Prozent Eigenkapitalrendite, das Ziel Orlopps erst für das Jahr 2027, würden immer noch ein Viertel unter der HVB liegen und etwas weniger unterhalb des vom Mutterkonzern tatsächlich erreichten Werts von 2022. Ein Zusammenschluß könnte diese geplanten Verbesserungen beschleunigen.