© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/24 / 11. Oktober 2024

Grüße aus … Port Louis
Besser als Ludwigshafen
Lukas Lange

Wer nach Mauritius reist, sucht entspannte Erholungswochen an paradiesischen Sandstränden, an denen er das flüssige Gold der Tropeninsel in der Hängematte schlürfen kann. Kein Wunder, daß sich nur wenige in die Hauptstadt verirren, die nicht nur dem Namen nach eine Art Ludwigshafen im Indischen Ozean ist. Wo sich sonst weißer Sand in die von einem Korallenriff umgebene Lagune absenkt, wartet Port Louis mit einem Betonhafen auf. Die Caudan Waterfront wäre überall sonst eine gewöhnliche Mall, doch mangels größerer Monumente in der Stadt hat sie es auf den 50-Rupien-Schein geschafft. Immerhin: die zwischen den Häusern aufgespannten bunten Schirme, die eigentlich mal Individualität ausstrahlen wollten, aber heute jede Fußgängerzone von Hongkong bis Los Angeles globalistisch eingenordet haben, bleiben auf der Banknote vom Wert eines Euro verborgen.

Spätestens um fünf fahren in der tropischen Hauptstadt die Bordsteine hoch und die Rolläden runter.

Auch eine andere Attraktion zeigt sich schüchtern. Nur einmal die Stunde werden die Blaue und die Rote Mauritius, die beiden teuersten Briefmarken der Welt, der Öffentlichkeit im Blue Penny Museum gezeigt – und das auch nur bis vier. Spätestens um fünf fahren die Bordsteine hoch und die Rolläden runter, drängeln sich die Mauritier an den Bushaltestellen, um zu ihren Wohnorten im Hochland zu fahren. Port Louis ist für viele reine Arbeitsstätte. Auch Aapravasi Ghat ist jetzt geschlossen. Das zum Weltkulturerbe zählende Hafengemäuer hat historische Symbolik: Hier wurde ab 1834 den indischen Vertragsarbeitern auf den Zahn gefühlt, die die Briten auf die Insel brachten, um sie auf den Zuckerrohrplantagen einzusetzen. Zuvor waren es afrikanische Sklaven gewesen, die die vorherige Kolonialmacht Frankreich auf die Insel verschleppt hatte.

Heute bilden Hindus und Muslime aus Indien, afrikanische Christen und vereinzelte Nachfahren der Europäer eine zumindest oberflächlich funktionierende multikulturelle Gesellschaft, die sich gleichwohl stark auf eigene Wohngebiete verteilt und kaum Eheschließungen zwischen den Gruppen kennt. Was die Reiseführer bei ihrem Lob des mauritischen Multikulti unterschlagen: die ursprünglichen Bewohner der Insel fielen gleich der ersten Welle Eindringlinge zum Opfer: der Dodo, ein endemischer, flugunfähiger Vogel, mag das omnipräsente Maskottchen der einst unbewohnten Insel sein, ist aber seit 1690 ausgestorben. Zusammen finden die Mauritier am Grab eines anderen: der Missionar Père Laval bekehrte 70.000 ehemalige Sklaven zum Katholizismus und lockt selbst Hindus zum Gebet. Das Seligengrab in einem Randbezirk der Hauptstadt gilt wegen Wunderheilungen als Lourdes des Indischen Ozeans. Das klingt dann doch besser als Ludwigshafen.   www.tourismauthority.mu/en