© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/24 / 11. Oktober 2024

Kahn der Woche
Den Fluß hinunter
Christian Vollradt

Die alte Dame leistet wirklich viel. Schon 21 Jahre hat die Fähre „Missunde II“ auf dem Buckel, und dennoch muß sie zwischen dem gleichnamigen Örtchen und Brodersby jährlich rund 120.000 Autos und 50.000 Fahrgäste über die Schlei setzen. Und voraussichtlich wird sie es auch noch bis Ende kommenden Jahres tun müssen, auch wenn ihr technischer Zustand nicht mehr der beste ist und sie daher bereits weniger Last tragen darf als früher. Doch ihr Diesel wird weiter im Dienste der Pendler und Touristen tuckern, die hier in der Heimat des einst legendären ZDF-„Landarzt“ urlauben. Denn ihre eigentlich bereits für dieses Jahr eingeplante Nachfolgerin „Missunde III“ läßt auf sich warten, wie Norddeutscher Rundfunk und Welt berichteten. Die neue Fähre ist für ursprünglich 3,3 Millionen Euro mit Solarpaneelen auf dem Dach ausgestattet, um grün, also emissionsfrei, übers Blaue zu gleiten. Aber das Projekt mit Strom auf dem Strom fiel bisher ins Wasser. Bei Testfahrten stellte sich heraus, daß die verbrennerfreie Version ab Windstärke 3 schon nicht mehr sicher anlegen kann und daher umfangreich umgerüstet werden muß. Dumm gelaufen. Und teuer. Denn zu den höheren Kosten für die neue kommen weitere für die alte Fähre hinzu. Die „Missunde II“ hatte der Landesbetrieb für Küstenschutz bereits an einen dänischen Eigner für 17.000 Euro verkauft. Nun mußte das Schiff für rund 50.000 Euro zurückgekauft werden, außerdem zahlte das Land weitere 50.000 Euro, weil die Dänen sich zuvor vertraglich ein Rückkaufrecht gesichert hatten. Ein wahrer Schildbürgerstreich an der Schlei. Dem gebeutelten Steuerzahler hier ein wenig lyrisch-jahreszeitlicher Zuspruch – von Georg Trakl („Verklärter Herbst“): „Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter. Wie schön sich Bild an Bildchen reiht – Das geht in Ruh und Schweigen unter.“