© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/24 / 11. Oktober 2024

Etwas Kloppe und ein Krümelmonster
Junge Liberale: Beim FDP-Nachwuchs in Schleswig-Holstein geht es hoch her / Mitglieder wollen Vorstandswahl anfechten – oder austreten
Christian Vollradt

Sturm und Wellengang sind die Schleswig-Holsteiner gewohnt. Dennoch ist ungewöhnlich, wie hoch derzeit die Wogen bei den Jungen Liberalen (Julis) im hohen Norden schlagen. Ende vergangenen Monats hat der Parteinachwuchs der FDP bei einem Landeskongreß in Neumünster seinen neuen Landesvorstand gewählt. Und mit Finn Flebbe ist der alte auch der neue Chef der Julis dort. So weit, so normal. 

Weniger normal muß indes der Verlauf dieses höchsten beschlußfassenden Gremiums gewesen sein. Mehrere Teilnehmer berichteten der JUNGEN FREIHEIT von teilweise chaotischen Szenen, die sich beim Treffen des FDP-Nachwuchses abgespielt haben sollen. Schon die Aussprache zum Rechenschaftsbericht des alten Vorstands sei heftig und zuweilen lautstark verlaufen. Bereits im Vorfeld hatte die regionale Presse für den Parteinachwuchs Peinliches zutage befördert. „Flogen in der FDP die Fäuste?“, fragte die Bild, und griff unmittelbar vor dem Landeskongreß einen Bericht der Kieler Nachrichten auf. Danach soll bei einem Treffen mehrere Juli-Verbände im August in einer Jugendherberge in Scharbeutz nicht nur über liberale Politik beraten, sondern auch übermäßig Alkohol geflossen sein. Andere Gäste hätten sich über Ruhestörungen beschwert, anschließend soll der Landesvorsitzende Flebbe mit einem blauen Auge herumgelaufen sein. Der 28jährige dementierte das Gerücht, es habe eine Schlägerei gegeben; man sei nur beim harmlosen Armdrücken mit dem Kopf versehentlich aneinander geraten. Auch ein Hausverbot in der Jugendherberge, von dem in einem internen Beschwerdebrief die Rede war, habe es nicht gegeben. 

„Das ist eine Unverschämtheit“

Doch während Ober-Juli Flebbe beim späteren Landeskongreß die Erfolge seiner Arbeit hervorhob, sahen einige seiner Parteifreunde dies ganz anders. „Eine Frechheit“ sei die Arbeit des Vorstands, rügte einer der Redner, ein anderer bekundete, sich für den Vorsitzenden zu schämen, heißt es im 15seitigen Protokoll, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Ein weiteres Mitglied beschwerte sich über „toxisches Verhalten“ im Landesverband. 

Andere junge FDP-Leute bestätigen das im vertraulichen Gespräch. Sie legen Wert auf Anonymität, auch weil sie beklagen, vom Vorstand werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Sogar Funktionären auf Kreisebene sei „von oben“ untersagt worden, mit der Presse zu reden. „Die wollen das Meinungsbild kontrollieren“, berichtet ein Juli: „Die Stimmung untereinander ist echt mies.“

Daß in Neumünster nicht alles in geordneten Bahnen verlief, wird aus dem Protokoll auch für außenstehende schnell ersichtlich: Mehrmals wird der Landeskongreß unterbrochen, muß sich das Tagungspräsidium zur Beratung zurückziehen. Es gibt Geschäftsordnungsanträge, es wird angefochten, es werden Ordnungsrufe erteilt. „Das ist eine Unverschämtheit“, verzeichnet das Protokoll als Zwischenruf. Zwischenzeitlich verlassen Mitglieder das ursprünglich sechsköpfige Tagungspräsidium, so daß nachgewählt werden muß, damit die notwendige Mindestzahl von drei anwesenden Präsidiumsmitgliedern gewährleistet werden kann.

Bei der Wahl zum Vorsitzenden setzte sich der demonstrativ vom FDP-Bundestagsabgeordneten und früheren Juli-Vorsitzenden Max Mordhorst vorgeschlagene Amtsinhaber Flebbe schließlich mit 65 Stimmen gegen die Herausforderer Johann Wudtke (32 Stimmen) und Kardo Hussein (23 Stimmen) durch. Reibungslos läuft auch das nicht ab. Ein erster Wahlgang wird annulliert, es gibt Streit um das Verfahren. Dann ficht ein Delegierter das Ergebnis an: „Es wurden mehr Stimmen abgegeben, als stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren“, heißt es im Protokoll. Nein, es seien mehrere nach der Stimmabgabe abgereist. Dann notiert der Protokollführer: Ein Mitglied bekennt sich, mit zwei Stimmblöcken gewählt und auf einen der Zettel „Krümelmonster“ geschrieben zu haben. Am Ende aber durfte Flebbe die Wahl annehmen, auch der restliche Vorstand wurde gewählt.  

Machtkampf, persönliche Animositäten – das alles spielt bei den Auseinandersetzungen offenbar eine Rolle. Doch im Hintergrund schwelt auch ein anderer, politischerer Konflikt: der zwischen zwei Flügeln, den eher Linksliberalen einerseits und den eher konservativ-liberalen, für die etwa der unterlegene Kandidat Hussein steht – und die ein Problem mit der Rolle der FDP als Teil der Ampel haben. Sie kritisieren auch den Abgeordneten Mordhorst und werfen ihm Opportunismus vor. Er habe sich vor allem deswegen für den Favoriten Flebbe stark gemacht, weil er loyale Julis als Hausmacht braucht, um bei der Listenaufstellung des Landesverbands einen aussichtsreichen Platz zu bekommen, sollte die FDP überhaupt den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen. Das Büro des Bundestagsabgeordneten Mordhorst hat auf eine Anfrage nicht reagiert. Der Landesvorstand der Julis teilte mit, er würde gegenüber der JUNGEN FREIHEIT nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen. 

Mindestens ein Jungliberaler erwägt, die Wahl nun juristisch anzufechten. Andere warten das offenbar nicht mehr ab und haben sich entschlossen, aus der FDP und den Julis auszutreten.