Dirk Spaniel will nicht mehr. „Ich gedenke meine Arbeit in der Fraktion und Partei bis zur Konferenz der verkehrspolitischen Sprecher Ende Oktober weiterzuführen. Weitere öffentliche Auftritte im Namen der Fraktion werde ich nicht mehr wahrnehmen“, schreibt der Bundestagsabgeordnete am Montag in einer Mail an seine Kollegen von der AfD im Bundestag, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Am Dienstag wird dann bekannt, daß Spaniel schon zum 15. Oktober seine Ämter als Leiter des fraktionsinternen Arbeitskreises Verkehr sowie als verkehrspolitischer Sprecher niederlegt.
Die politische Karriere des umtriebigen Politikers hatte am Wochenende davor ein abruptes Ende genommen. Der promovierte Ingenieur unterlag bei der Aufstellungsversammlung des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg bei der Kandidatur für den sicheren Listenplatz fünf überraschend deutlich gegen den Landtagsabgeordneten Ruben Rupp. Spaniel bekommt 237 Stimmen, Rupp 608. Das ist deutlich, und es ist vor allem ein Triumph für AfD-Chefin Alice Weidel. Sie wurde zuvor mit mehr als 85 Prozent als Spitzenkandidatin gewählt. Ein Gegenkandidat fand sich im sonst so zerstrittenen Landesverband nicht. Auch auf allen anderen Listenplätzen gewinnt das „Team“ der Vorsitzenden. Weidel schlägt immer wieder ihre Wunschkandidaten selbst vor.
Das Tischtuch zwischen Weidel und Spaniel ist schon seit Jahren zerrissen, schildern Abgeordnete das Verhältnis hinter vorgehaltener Hand. Und vor Weidel lag Spaniel mit ihrem Vorgänger Jörg Meuthen im Kleinkrieg. Selbst in den Arbeitskreisen der Fraktion soll er regelmäßig über die Parteiführung geschimpft haben. Spaniel sieht in seiner Nichtwahl vor allem das Ergebnis einer parteiinternen Intrige gegen ihn. Es habe einen „offensichtlichen Mißbrauch parteiinterner Ressourcen zur Wahlbeeinflussung“ gegeben, schimpft er in seiner Mail an seine Kollegen und zitiert aus einer langen Nachricht des Landesvorstands in Baden-Württemberg, die vor der Wahl verschickt wurde und in der Spaniel aufgefordert wird, zwei Mitarbeiter zu entlassen, die angeblich eine „Sabotage“ des Parteitags geplant hätten.
„Die parteiinterne Schiedsgerichtsbarkeit, mindestens in Baden-Württemberg, hat durch Verfahrensverzögerung und Nichtbefassung eine rechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge verunmöglicht“, schreibt der 52jährige weiter. Sollten nun Parteiordnungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden, „behalte ich mir vor, besagte Konferenz nicht vorzubereiten“. Doch es geht lange schon um weit mehr. Denn Spaniel, der wegen seines unbestrittenen Fachwissens parteiintern liebevoll „Diesel Dirk“ oder „Dr. Diesel“ genannt wird, kündigt unmittelbar nach seiner Niederlage den Parteiaustritt an. Zumindest ein wenig. „Mit Erschrecken habe ich feststellen müssen, daß man in der AfD mit Stammtischparolen auf einer Aufstellungsversammlung zum Deutschen Bundestag mittlerweile stehende Ovationen erhält. Ich bin erleichtert, nun nicht mehr die parteiinternen Schweinereien gegen mich aus einer Parteiräson heraus hinnehmen zu müssen. Soll die AfD ruhig diesen Weg gehen. Es ist nicht mehr lange meiner. Jede Partei kriegt die Politiker, die sie verdient“, sagt er dem Portal „t-online“ am Rande des Parteitags.
Doch wann will Spaniel austreten? Oder ist er es schon? „Einen Austritt habe ich bisher nicht erklärt, ein Austrittsdatum habe ich nicht festgelegt. Für den Fall eines Austritts bin ich bemüht, einen geordneten Übergang zu ermöglichen“, sagt er auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT. Über seine Austrittsgründe will Spaniel nichts sagen. „Solange ein Austritt nicht festgelegt ist, ist es nicht zielführend, Austrittsgründe zu diskutieren.“ Kommt also der Rückzieher von der Ankündigung des Austritts?
Spaniel selbst, das zeigen interne Nachrichten einer Chatgruppe, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegen, spielte zumindest kurzfristig mit der Idee einer Parteigründung. Dort gibt sich Spaniel weniger zurückhaltend, spricht etwa von „Charakterruinen“, wenn es um parteiinterne Konkurrenten geht. Auf den Einwand eines Mitglieds, das jetzt eigentlich eine neue Partei gegründet werden müsse, schrieb der 52jährige: „Dieser Aufgabe werde ich mich gerne widmen, irgendwann im Winter.“ Auf JF-Anfrage, wie konkret die Pläne sind, antwortet Spaniel, er werde Sachverhalte interner Gruppen „nicht in der Öffentlichkeit diskutieren“.
Austritt könnte Fraktion einen Ausschußsitz kosten
Daß der Abgeordnete wirklich eine eigene Partei gründen werde, glaubt so gut wie niemand auf den Fluren der AfD im Bundestag. Dennoch nimmt der Landesvorstand die Ankündigung des Politikers, den auch ihm gewogene Parteimitglieder als „impulsiv“ bezeichnen, für bare Münze. „Ich werde den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte empfehlen“, sagte Landeschef Markus Frohnmaier nach Angaben des Spiegels. Der Vertraute von Weidel berief dafür eine Sondersitzung des Vorstands ein.
Ganz folgenlos wäre ein Parteiaustritt oder ein Rauswurf Spaniels aus der AfD jedoch nicht. Denn wer die Partei verläßt, fliegt auch automatisch aus der Bundestagsfraktion. 77 Abgeordnete hat die AfD im Bundestag derzeit. Verliert sie einen weiteren Mandatsträger hat das auch sofort Auswirkungen auf die Besetzung der Bundestagsausschüsse. „Sollte ein Abgeordneter die Fraktion verlassen, würde die Fraktion nach unseren Berechnungen einen Ausschußsitz verlieren“, bestätigt ein Sprecher der Fraktion.
Nach Informationen dieser Zeitung würde es um den Gesundheitsausschuß gehen. Würde noch ein Abgeordneter die Fraktion verlassen, würde schließlich auch ein Sitz im Ausschuß für Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit verlorengehen. Doch mit einem zweiten Austritt ist derzeit nicht zu rechnen.
Die ebenfalls bei der Wahl in Baden-Württemberg gescheiterte Christina Baum wies gegenüber der JUNGEN FREIHEIT Gerüchte zurück, sie würde die Partei verlassen.