© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/24 / 11. Oktober 2024

Von Stabilität weit entfernt
Koalitionen der Verlierer gegen die AfD: Statt neuer politischer Konzepte wird ein Parteiverbot diskutiert
Antje Hermenau

Antoine de Saint-Exupéry schreibt im „Kleinen Prinzen“: „Die Autorität beruht vor allem auf der Vernunft. Wenn du deinem Volk befiehlst zu marschieren und sich ins Meer zu stürzen, wird es revoltieren.“ Wenn sich jetzt die Parteien unseres Landes zu einer dysfunktionalen Notgemeinschaft zusammenschließen, um das, was sie „ihre Demokratie“ nennen, zu verteidigen, indem sie diejenigen mit einem Parteiverbot belegen, die ihnen dieses Machtparadies streitig machen, dann steht die Frage im Raum, warum all diese Parteien keine Autorität mehr genießen. Das Volk hat ihnen diese Opposition absichtsvoll an den Hals gewählt!

Es revoltiert nun – in allen 16 Bundesländern, nicht nur im Osten. Ein Verbot der AfD ändert nichts daran. Im Gegenteil. Zu durchsichtig ist, daß es vor allem die gegenwärtigen Verlierer sind, die sich zusammenraffen, um ihre Privilegien zu wahren. Geschickt gemacht wird es ja: Keine Fraktion erhebt ihr Haupt für diesen Antrag, sondern alle verstecken sich hinter der Gruppe. Namentliche Abstimmung zu beantragen wird ein Spaß.

Die bisher einzigen zwei Eingriffe dieser Art richteten sich 1952 gegen eine NSDAP-Nachfolgerpartei und 1956 die KPD. Die NPD-Verbotsverfahren 2012 bis 2017 waren lächerlich. Ein neuerlicher Versuch, die Menschen so zu bevormunden, würde unserer Demokratie schaden. Aber das Verfahren gegen die AfD hat ja einen heimlichen anderen Zweck: Man will die Partei damit im Ansehen der Bürger und materiell behindern. Ein Verbot bräuchte eine Zweidrittelmehrheit im Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVG). Stattdessen sollen AfDler zweifelhaft beleumdet sein, die Partei keine angesehenen Mitglieder mehr anwerben und ihren Wahlkampf nicht finanzieren können.

Auch ist fraglich, ob der Antrag überhaupt angenommen würde. Da der sächsische Verfassungsschutz (VS) schon lange behauptet, daß die AfD von ihm als „gesichert“ rechtsextrem eingestuft wird, er aber seither vergeblich auf die Vorlage von Beweisen warten läßt, bestehen hier berechtigte Zweifel, ob die nötige Begründung zureichend wäre.

Gelänge dies doch, genügte allerdings eine einfache Senatsmehrheit, um die Partei von den Staatstöpfen auszuschließen. Genau darauf soll es wohl hinauslaufen. Denn die AfD könnte dann sechs Jahre von der steuerlichen Begünstigung von Parteispenden ausgekapselt werden. Die „nationale Front“ würde zwei Bundestagswahlen lang Siege im Schlafwagen einfahren. Pyrrhus-Siege, die uns allen massiv schaden werden.

Der Bevölkerung geht es aber schlecht. Das Leben ist zu teuer geworden. Die Bevormundungen haben in allen Lebensbereichen überhandgenommen. Die politische Agenda dieser „nationalen Front unter Führung der CDU“ hat zu viele Probleme für die Bürger gebracht, als daß diese noch bereit wären, es weiter mitzutragen.

Der Osten Deutschlands hat in den vergangenen drei Landtagswahlen im September „den Westen abgewählt“ (Sylke Kirschnick). Er hat das getan, weil er sieht, daß Westdeutschland einen Sonderweg in Europa geht, völlig fixiert auf eigene Legenden und Vorurteile. Thüringen, Sachsen und Brandenburg bewegen sich im Gleichklang mit den meisten Europäern. Von der Trauminsel im Westen stammen auch die wunderlichen Sonderwege, wie die Energiewende und die Zerstörung der heimischen Automobilindustrie. Aber auch dieser Verbotsversuch ist europäisch betrachtet ein solcher Sonderweg.

Welche Entscheidungen waren es, die nicht auf Vernunft basierten und die Etablierten ins Wanken brachten? Zuerst die Frage nach Euro und Stabilität statt der jetzt üblichen Teuerung. Das war noch kein Volksthema, solange die Inflation nicht täglich beim Einkauf zubiß. Zum zweiten ist bis heute die Frage der Massenmigration verbunden mit einer sehr mangelhaften Integration zu nennen. Da geht es bei den meisten nicht um plumpen Rassismus, wie die „nationale Front“ so gerne vorbetet, sondern um differenzierte Regelungen. Wenn man die Zuwanderungsdebatte nicht völlig zerstören möchte, muß man die aktuellen Zustände endlich klar benennen und beheben.

Nachdem Oskar Lafontaine erfolgreich die SPD schwächte, reibt nun seine Frau Linke und CDU auf. Daß Sahra Wagenknecht mit der Linken nicht mehr viel am Hut hat, ist nachvollziehbar. Daß SPDler die Vertreterin der „Kommunistischen Plattform“, die sich für die Verankerung kommunistischer Werte in der zuvor PDS genannten Partei einsetzte, als willkommene Unterstützung gegen die AfD annehmen, läßt ein Geschmäckle aufkommen, stand die „Plattform“ doch unter VS-Beobachtung.

Das wirft die Frage auf, wie eigentlich die CDU zu all dem steht. Letztendlich zerreibt dieser Verbotsantrag die Union dann gänzlich in Schwarzgrüne und Schwarzblaue. Ironischerweise hat sich ein CDU-Mann, der sein Mandat an einen AfDler verlor, besonders für das Verbot stark gemacht. 

Mit der Ausgrenzung und Beschimpfung der AfD hat sich die „nationale Front“ aber nun in eine furchtbare Sackgasse geritten: In den drei Ostländern sind nur dysfunktionale Regierungskoalitionen denkbar. Da die Bundestagswahl im nächsten September im Westen gewonnen wird, war klar, daß die Bundesverbände auf die Interessen der Ostländer keine Rücksicht nehmen. Das haben die Bürger verstanden und ihrerseits alle Landesinteressen ignoriert. Sie wählten stattdessen, ohne Revolte oder Umsturz, die verheerende Politik der Berliner Ampel ab. Mit einer Wahlbeteiligung von über 72 Prozent.

Stabile Regierungen entstehen nicht durch das Einzementieren der „nationalen Front“ in der Unvereinbarkeit ihrer politischen Ansätze, sondern durch Bildung von handlungsfähigen Koalitionen, die stringent arbeiten. Angesichts der geopolitischen Turbulenzen dieser Jahre wäre das vernünftig. 1989 hieß es nicht nur „Wir sind das Volk.“ Es hieß auch „Wir sind ein Volk.“ Das BSW, das sich mit der AfD Themen geteilt hat, wäre in Sachsen wohl als Mehrheitsbeschaffer für CDU und SPD zu bekommen. Zu welchem Preis? Für einen Apfel (Ministerium für Sabine Zimmermann) und ein Ei (Floskel zum Weltfrieden im Vorwort des Koalitionsvertrages). 

Die AfD ist dagegen eine gesamtdeutsche Partei, kein „Ossi-Problem“. Der Westen Deutschlands will mehrheitlich noch nicht aus seinem Traum erwachen und sich noch ein bißchen ins Federbett kuscheln. Das ändert aber nichts daran, daß es weltweit völlig egal ist, ob die Deutschen schlafen oder mittun. Nur uns selbst kann das nicht egal sein. Die AfD ist der Weckruf nach der Schlummertaste Merkel und ihrem Adlaten Scholz. Man kann ja andere politische Antworten geben, aber Verdrängen ist nur noch schädlich.