Anfang September dieses Jahres erschien bei Welt Online der Artikel „Die Medien-Antifa“. In einer für den Mainstream ungewohnten Deutlichkeit rechnete der Autor Magnus Klaue mit der „von der Wirklichkeit abgespaltenen Parallelwelt“ öffentlich-rechtlicher Berichterstattung über die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ab. Ein Diskurs habe nicht stattgefunden, es sei vielmehr um die Bildung einer „antifaschistischen Einheitsfront“ gegen die „Anhänger der bösen Parteien“ gegangen.
Die wie immer einseitige Gästeliste der zahlreichen Polittalkshows war Ausdruck dieses aktivistischen Erziehungsjournalismus, und der Kommentar von ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten, in dem sie die Wahlergebnisse vom 1. September 2024 mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges vor genau 85 Jahren gleichsetzte, markierte eine neue Eskalationsstufe bezüglich Wähler- und Oppositionsverachtung der öffentlich-rechtlichen Staatsmedien. Zutreffend analysiert Klaue diese Simulation einer politischen Debatte als „Selbstinszenierung einer eingebildeten Mitte als das gesellschaftliche Ganze“.
Nun sind Regierungsnähe und die linke Schlagseite von ARD und ZDF seit vielen Jahren ein offenes Geheimnis. Zur „Medien-Antifa“ hat sich spätestens seit Gründung der AfD eine „Sachbuch-Antifa“ hinzugesellt, die nur ein Ziel verfolgt: Kampf der neuen rechten Oppositionspartei mit einem Vernichtungsziel. Auch hier hat eine Radikalisierung stattgefunden. War bei früheren Publikationen über die Partei wie etwa „Angst für Deutschland“ (2017) der Spiegel-Redakteurin Melanie Amann oder „Die Wiederkehr“ (2023) des FAZ-Journalisten Patrick Bahners so etwas wie analytisches Erkenntnisinteresse noch zu erkennen, sind neue Bücher über die AfD voll in den Kampfmodus gewechselt. Eine Analyse findet nicht mehr statt, die Wahrheit über die angebliche Bösartigkeit der Partei wird vorausgesetzt, es geht nur um die Frage, wie die Partei am effektivsten unschädlich gemacht werden kann und ob deren Wähler überhaupt noch in ein besseres, weil AfD-freies Deutschland zu integrieren sind. Schon die Titel „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewußt“ (Marcus Bensmann) und „Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD“ (Michael Kraske, Dirk Laabs) framen die AfD wenig subtil als die neue Nazipartei des 21. Jahrhunderts. Beim Correctiv-Journalisten Marcus Bensmann überrascht das wenig, bei Dirk Laabs schon mehr, hat dieser doch in den vergangenen Jahren als Investigativjournalist einige sorgfältig recherchierte Sachbücher zu verschiedenen Themen publiziert. Beim Vergleich der beiden Publikationen fällt auf, daß Kraske und Laabs noch radikaler formulieren und noch härtere staatliche Repressionen fordern als Bensmann.
Das könnte allerdings auch schlicht daran liegen, daß bei Bensmann die zahlreichen Gerichtsurteile gegen die Correctiv-Lügengeschichte vom Potsdamer „Geheimtreffen“ mit den angeblichen Plänen von „millionenfacher Deportation“ auch deutscher Staatsbürger ihre Wirkung hinterlassen haben. Oder besser gesagt: Beim Lektorat waren wohl vor allem Anwälte beteiligt, die die wildesten Verschwörungsmythen gegen die AfD herausredigiert haben, so daß es bei einer langweiligen Ansammlung der üblichen Vorwürfe gegen die Partei bleibt: Rußlandkontakte, ethnisches Staatsbürgerschaftsverständnis, zehn Jahre Dauerradikalisierung usw.
Das Wort „Deportation“ erwähnt Bensmann nur zweimal jeweils mit Anführungszeichen versehen. Angeblich sei der mittlerweile gerichtlich untersagte Begriff lediglich in der „Rezeption der Recherche“ benutzt worden. Auch das stimmt nicht. Correctiv selbst hat in einer Verlautbarungen im Januar 2024, in der es seine Recherche ankündige, von „Deportationen“ gesprochen. Sowohl bei dem Bericht über das „Geheimtreffen“ als auch beim vorliegenden Buch ging und geht es nicht um neue Enthüllungen. Vielmehr soll ein bereits bestehendes Narrativ bestätigt werden. Das ist kurzfristig gelungen, wie die medial wohlwollend begleiteten „Nie wieder ist jetzt“-Demonstrationen unmittelbar nach der Berichterstattung gezeigt haben. Mittel- und langfristig wird es Correctiv und dem „Anti-Rechts-Milieu“ schaden, da sie ihre Glaubwürdigkeit außerhalb der eigenen Blase nachhaltig beschädigt haben.
Bei „Angriff auf Deutschland“ handelt es sich um ein anderes Kaliber. Mehrfach greifen die Autoren auf rhetorische Strategien zurück, die in ihrer manipulativen Ausrichtung infam sind. Ein Beispiel: Auf Seite 107 zitieren sie eine Forderung aus dem AfD-Grundsatzprogramm nach einer höheren Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung. Weniger als eine halbe Seite später schließen sie mit dem Satz: „Ein Frauenbild, wie es ähnlich auch die Nationalsozialisten propagierten.“ Weitere „Beweise“ für den extremistischen Charakter der AfD: Die Partei sieht Ungarn als Vorbild, benutzt das Wort „Asyl-Mißbrauch“, ist gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Und nicht zuletzt: Ehemalige Autoren der bösen JUNGEN FREIHEIT arbeiten mittlerweile für AfD-Bundestagsabgeordnete. Na dann …
Justiz mit „Haltung“ unterstützt durch politische Vorgaben
Mag man über solche skandalisierten Harmlosigkeiten noch schmunzeln, offenbaren Kraske und Laabs ein Rechtsstaatsverständnis, welches mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist. Sie fordern eine Justiz mit „Haltung“, unterstützt durch politische Vorgaben. Ein aus ihrer Sicht positiver erster Schritt ist die bereits vollzogende Änderung des Disziplinarrechts: „Nun können Beamte per Verfügung ihres Amtes enthoben werden, die dann gegen ihre Entlassung klagen können.“ Die Unschuldsvermutung eines jeden Staatsbürgers gehört zum Kernstand des Rechtsstaats. Wer diese angreift, wie hier bereits geschehen, öffnet einem auf Willkür basierenden Maßnahmenstaat Tür und Tor.
Beide Bücher benutzen auf jeder Seite zig wertende Attribute, um der Leserschaft die Verkommenheit der AfD ins Bewußtsein zu hämmern: rechtsextrem, faschistisch, klerikal-evangelikal, reaktionär, haßerfüllt usw. Eine Begriffsklärung findet nicht statt, immer ein sicheres Indiz von aktivistischer Literatur mit einer politischen Agenda. Lohnt sich die Lektüre dennoch? Ja, denn beide Bücher kommen aus der Mitte des tonangebenden Milieus im Besitz administrativer Machtmittel, das keinen Hehl mehr daraus macht, was es will: Kampf gegen die Opposition zur angeblichen Rettung der Demokratie. Nur eines steht ihnen dabei noch im Weg: der Rechtsstaat. In diesem Sinn ist der Titel von Bensmanns Beitrag zutreffender als vom Autor ursprünglich intendiert: Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewußt.
Michael Kraske, Dirk Laabs: Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD. Verlag C.H. Beck, München 2024, broschiert, 350 Seiten, 18 Euro
Marcus Bensmann: Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewußt. Die ungeheuerlichen Pläne der AfD. Galiani Verlag, Berlin 2024, broschiert, 256 Seiten, 22 Euro
Foto: Nach den „Correctiv“-Enthüllungen über vermeintliche Deportationspläne aus dem AfD-Umfeld demonstrieren deutschlandweit Hunderttausende gegen die Partei, wie am 3. Februar in Berlin: Die Wahrheit über die angebliche Bösartigkeit der AfD wird vorausgesetzt