© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/24 / 04. Oktober 2024

Filmkritik / Die Ermordung Matteottis
Italienische Zeitgeschichte
Werner Olles

Nachdem Italiens König Viktor Emanuel III. 1922 Benito Mussolini als Ministerpräsident einer Koalitionsregierung aus dessen Partito Nazionale Fascista (PNF), Konservativen, Nationalisten und Monarchisten einsetzt, erhält der PNF bei den Parlamentswahlen vom 6. April 1924 zwei Drittel der Stimmen. Am 30. Mai dieses Jahres hält der sozialistische Generalsekretär Giacomo Matteotti (Franco Nero) eine flammende Rede im römischen Parlament, in der er Wahlmanipulationen und Finanzskandale der Faschisten anprangert, Mussolini (Mario Adorf) persönlich damit konfrontiert und Neuwahlen fordert. Matteotti ist als scharfer Redner bekannt und zieht sich nach mehreren Rededuellen mit den Faschisten deren offene Feindschaft zu.

Am 10. Juni 1924 wird er nahe seiner Wohnung im feinen römischen Stadtviertel Flaminio von fünf faschistischen Paramilitärs in einer schwarzen Limousine entführt und wenig später ermordet. Sein Verschwinden und die Entdeckung der Leiche am 16. August 1924 zwanzig Kilometer außerhalb Roms führen zu einer politischen Krise im Land. Mussolinis Popularität erleidet einen Einbruch, zumal die Aufdeckung des Verbrechens mit Einschüchterungen verhindert wird. Dennoch versuchen mutige Richter, Licht in die Sache zu bringen und die Schuldigen anzuklagen.

Am 3. Januar 1925 übernimmt Mussolini in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus die „moralische, politische und historische Verantwortung“ für den Mord, ohne jedoch eine direkte Verbindung einzugestehen. Von den Mördern werden drei zu je fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, jedoch nach zwei Monaten von König Viktor Emanuel III. begnadigt. 1947 werden die noch lebenden Täter zu dreißig Jahren Gefängnis verurteilt, kommen aber neun Jahre später wieder frei und bestreiten, daß Mussolini der Auftraggeber des Mordes war.

Florestano Vancinis und Lucio Battistradas Polit-Thriller „Die Ermordung Matteottis“ („Il delitto Matteotti“, Italien 1973) zeigt die historischen Ereignisse von 1924 in nüchterner, fast dokumentarischer Form. Trotzdem ist der Film kein trockener Geschichtsunterricht, sondern schildert beeindruckend eine entscheidende Epoche Italiens. Franco Nero spielt die Titelfigur, wird aber von Mario Adorf durch seine physiognomische Ähnlichkeit mit dem „Duce“ noch übertroffen. Bonusmaterial: Interview mit Franco Nero.

DVD: Die Ermordung Matteottis. Pidax Historien-Klassiker 2024,Laufzeit 114 Minuten