© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/24 / 04. Oktober 2024

„Deal wäre besser gewesen, als das was wir jetzt haben“
Geopolitik: Das Treffen der Ukraine-Unterstützer soll während des Deutschland-Besuchs von Joe Biden am 12. Oktober in Ramstein stattfinden
Marc Zoellner

Noch ist es ein paar Tage hin, bis Joe Biden zu seinem wohl letzten Staatsbesuch eintrifft: Vom 10. bis zum 12. Oktober wird sich der US-Präsident in Deutschland aufhalten und dabei sowohl mit Olaf Scholz als auch mit Frank-Walter Steinmeier zusammentreffen. Ein pikantes Detail der Änderung des üblichen Empfangsprotokolls wurde vorigen Freitag schon publik: Das Staatsdinner der Präsidenten, üblicherweise in den Abendstunden abgehalten, soll für Biden schon mittags stattfinden – mit Verweis auf das bereits hohe Lebensalter des 81jährigen. Erwartet wird überdies, daß Biden seine Staatsbesuche in Deutschland und anschließend in Angola für den Wahlkampf der US-Demokraten nutzen wird. Für den 5. November wird laut Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Vizepräsidentin Kamala Harris und Donald Trump erwartet.

Denn mit dem Ukraine-Krieg wird eines der US-Wahlkampfthemen auch bei der Biden-Visite eine maßgebliche Rolle spielen: „Ich werde nächsten Monat in Deutschland ein Treffen auf Führungsebene der Kontaktgruppe für die Verteidigung der Ukraine (UDCG) einberufen“, so der US-Präsident, „um die Bemühungen der mehr als 50 Länder zu koordinieren, die die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression unterstützen.“ Am 12. Oktober treffen sich hierzu die Staats- und Regierungschefs des „Ramstein-Formats“ auf dem gleichnamigen US-Militärflugplatz in der Pfalz. Neben den Nato-Staaten gehören der UDCG auch Australien, Japan und Südkorea an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte eine Teilnahme zumindest per Videoschalte an.

„Rußlands Kosten für seinen Krieg in der Ukraine in die Höhe treiben“

Explizit nicht eingeladen sind Vertreter Rußlands. Ziel des Treffens ist nicht die Eruierung möglicher diplomatischer Lösungsversuche des Ukraine-Kriegs, sondern das Ausloten des Potentials der Ukraine-Verbündeten zur weiteren militärischen, humanitären sowie logistischen Unterstützung Kiews im Abwehrkampf gegen die russische Armee. Diesbezüglich war Selenskyj bereits am 26. September mit Biden in Washington zu Gesprächen zusammengekommen, deren Ergebnis von Kiew als größtenteils positiv bewertet wurden. Die von Selenskyj erhoffte Erlaubnis zum Einsatz von US-Langstreckenwaffen gegen Ziele innerhalb Rußlands blieb zwar weiterhin aus. Hingegen sicherte Biden der Ukraine noch für dieses Jahr weitere Hilfsleistungen im Wert von 7,9 Milliarden Dollar sowohl aus den Mitteln des Präsidentenamtes selbst als auch aus jenen des Pentagons zu.

Unter diese Mittel fällt neben Luftabwehrsystemen sowie der Ausbildung weiterer ukrainischer Piloten auch die Lieferung von Gleitbomben der Marke „Joint Standoff Weapon“ (JSOW) mit einer Reichweite von bis zu 130 Kilometern. Mit Hilfe ihrer Verbündeten habe die Ukraine in den vergangenen Jahren „die Schlacht um Kiew gewonnen, mehr als die Hälfte des von Rußland zu Beginn des Krieges eroberten Territoriums zurückerobert und ihre Souveränität und Unabhängigkeit gesichert“, erklärte Biden. Die USA würden „Rußland weiterhin die Kosten für seinen Krieg in der Ukraine in die Höhe treiben und der russischen Verteidigungsindustrie Ressourcen entziehen“.

Daß Biden das Gros der jüngst zugesicherten Mittel seiner eigenen Amtskasse entnommen hatte, dürfte beim ukrainischen Präsidenten Erleichterung hervorgerufen haben. So sind diese Mittel auch nach einer möglichen Niederlage der Demokraten im November noch zweckgebunden verfügbar, können von einer neuen Trump-Regierung nicht widerrufen werden. Zu vergangenen Wahlkampfauftritten hatte Donald Trump bereits mehrfach angekündigt, die Ukrainehilfen der USA auf den Prüfstand zu stellen, nötigenfalls sogar ganz zu kappen, um eine diplomatische Lösung des Kriegs zu forcieren. „Jeder Deal – der schlechteste Deal – wäre besser gewesen als das, was wir jetzt haben“, erklärte Trump vergangene Woche. „Welchen Deal können wir nun machen? Die Menschen sind tot. Das Land liegt in Trümmern.“

Zur Umstimmung des potentiellen neuen US-Präsidenten machte sich Selenskyj vergangenen Freitag gar in den New Yorker Trump Tower auf. Das Ergebnis der Gespräche war überraschend: Ein nahezu brüderliches Doppel-Interview im republikanerfreundlichen Fernsehsender Fox News über die Notwendigkeit eines „fairen und schnellen Deals“ im Ukraine-Krieg, von welchem „der ukrainische Präsident möchte, daß er endet, und – da bin ich mir sicher – auch Präsident Putin möchte, daß er endet“, befand Trump, der schlußendlich von Selenskyj gar persönlich zu einem Besuch in die Ukraine eingeladen wurde.