© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/24 / 04. Oktober 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schwierige Beziehungen
Christian Vollradt

Etwa 150 Botschaften gibt es in Berlin. Nicht alle sind in prominenter Lage in der Nähe des Brandenburger Tors oder Unter den Linden, so wie die der USA, Frankreichs, Großbritanniens oder Rußlands. Traditionell sammeln sich einige Vertretungen auch in den Straßenzügen am Tiergarten. Manche Länder, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhält, begnügen sich mit einem schlichten Bürobau oder sogar nur mit einer angemieteten Etage. 

Trotz solcher Unterschiede läuft eines immer gleich ab. Bei einem turnusgemäßen Wechsel an der Spitze einer solchen Vertretung fragt das entsendende Land bei der Bundesregierung an, ob ihr der betreffende Vertreter genehm sei. In aller Regel ist das eine reine Formalität, und Berlin erteilt das sogenannte Agrément. Als nächstes überreicht der Entsandte dem Staatsoberhaupt des Empfangsstaates sein Beglaubigungsschreiben. Dazu wird der jeweilige Botschafter von Bundespräsiendet Frank-Walter Steinmeier – ganz klassisch im Cut – am Amssitz in Schloß Bellevue empfangen. Anschließend hissen Soldaten des Wachbataillons die Flagge des Gastlandes, während der nun akkreditierte Diplomat eskortiert von fünf Motorrädern der Berliner Polizei wieder abrückt, um sich seiner Aufgabe zu widmen: der Vermittlung im politischen Verkehr zwischen seiner und der deutschen Regierung. Gibt es gravierende Probleme zwischen den Staaten, kann der Botschafter „einbestellt“ werden. Eine weitere Eskalationsstufe wäre es, Diplomaten zur unerwünschten Person zu erklären, sie müßten den Empfangsstaat dann verlassen. Im äußersten Fall können die diplomatischen Beziehungen ganz abgebrochen werden.

Kurioser und durchaus ungewöhnlich verhält es sich im Fall Afghanistan, zu dem Berlin seit 1915 diplomatische Beziehungen unterhält. Das Auswärtige Amt hat die deutsche Botschaft in Kabul nach der Machtübernahme der Taliban, deren Regierung nicht anerkannt wird, geschlossen. Die Beziehungen mit dem Land am Hindukusch wurden aber nicht offiziell abgebrochen. Der afghanische Botschafter in Berlin, der bereits im Februar 2021 also vor dem Machtwechsel in seiner Heimat, akkreditiert wurde, blieb weiterhin im Amt. 

In Berlin sei er „jemand, der noch von der Republik Afghanistan aus der Vor-Taliban-Zeit übriggeblieben ist“, drückte es ein Sprecher des Auswärtigen Amts einmal aus. „Die afghanische Botschaft in Berlin und die Generalkonsulate in Bonn und München betreuen die afghanische Diaspora in Deutschland konsularisch“, und für solche Zwecke unterhalte die Bundesregierung „punktuell Kontakte zur afghanischen Botschaft in Berlin“, teilte das AA auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. 

Doch auch mit dieser diplomatischen Sparflamme ist Schluß. Die Taliban kündigten jüngst an, in Deutschland nur noch über das Konsulat in München vertreten zu sein. Diesem vertraue man, dort würden die Befehle aus Kabul ausgeführt. Passend dazu funktioniert auch die bisherige Internetseite der afghanischen Botschaft in Berlin nicht mehr.