Seit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Frühling mit dem diplomatischen Geschick eines blinden Elefanten die Türken dumpf stereotyp als Imbißbuden-Volk dargestellt hatte, wütet ein Kampf um den Döner. Heißt es in vielen Städten und Bezirken einfach nur „Wo gibt’s den besten?“, stellt sich auf dem internationalen Schlachtfeld der Kulinarik die Frage „Wer hat’s erfunden?“ Deutschland und die Türkei streiten sich um das beliebte Fast food. Ist es osmanisch, germanisch oder „gerosmanisch“?
Und längst geht es auch um Regeln für die genaue Herstellung. Was ist ein richtiger Döner? Die „International Doner Federation“ (Udofed) aus Istanbul hat im Sommer einen Antrag bei der EU eingereicht, den Döner als „garantiert traditionelle Spezialität“ einzustufen. Auf der angestrebten Liste stehen unter anderem spanischer Serrano-Schinken oder italienischer Mozzarella-Käse. Dabei geht es auch um genaue Vorschriften für das Fleisch: Sorte, Marinade, Aufspießmethode und Garzeit. Ein feuchter Traum für regelwütige Eurokraten wird Wirklichkeit, der für ungewohnt selbstbewußten Widerstand bei der Ampel sorgt, zwischen die und Brüssel sonst kein Blatt Papier paßt. Man brauche hierzulande „keine Vorgaben aus Ankara“, schimpft der ausgerechnet türkischstämmige Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat Einspruch eingelegt. Nun muß die EU-Kommission entscheiden.
Die Folge könnten steigende Preise und Namensänderungen sein
Dies könnte den genormten Döner zur Folge haben – und damit weitere Preissteigerungen, juristische Klagen und sogar offizielle Namensänderungen samt inoffiziellen Ausweichnamen (weil nonkonform). Kommt jetzt also ein Wildwuchs an „Drehbratenschrippen“, „Schnittfleischsemmeln“ oder „Türkischen Burgern“? Gammelbürokratie, nicht Gammelfleisch. Appetit auf Fladenbrotdreieckswinkel, Tomatenscheibendicke, Gurkenstreifengröße und Zwiebelringmenge – wenn man sie denn überhaupt will – macht das nicht. Selbst wenn diese überspitzte Überregulierung noch in weiter Ferne liegt, als Verbraucher weiß man ja nie. Und der Antrag behandelt tatsächlich Fleischstückchenmillimeter, Messerlängen, Glutabstände und pH-Werte.
Bei einem erwarteten Konsultationsverfahren der EU-Kommission geht es dann auch um die Herkunft und die geistigen Eigentumsrechte. Der Legende vom Nationalgericht von der Spree nach hatte der Gastarbeiter Kadir Nurman im Jahr 1972 in Berlin als erster die Idee, das typisch türkische, dünn zurechtgeschnippelte Kebab-Fleisch vom Spieß in einen Fladen zu packen. Eine an beliebten Fisch- und Wurstbrötchen orientierte „To-go“-Variante für den Alman-Markt, wo die ständig arbeitsamen Ureinwohner gern zeitsparend „auf die Hand“ bestellten. Ein neuer Gastro-Kassenschlager war geboren; 23 Jahre nach der Erfindung der Currywurst ebenfalls in Berlin. Die „deutsche“ Döner-Variante sei neben anderen Städten dann sogar in die Türkei exportiert worden. In der türkischen Erzählung gilt Iskender Efendi aus dem anatolischen Bursa als Wegbereiter der klassischen Kombination Fleisch, Salat, Soße, Brot – allerdings auf dem Teller als „Iskender Döner“.
Heute gibt es weltweit Döner nach dem Muster der deutschen Hauptstadt, und nicht selten tragen die Buden von Polen bis Kalifornien „Berlin“ im Namen. Hinzugekommen sind Franchise-Ketten, Tiefkühl-Döner-Pizza, Edel-Varianten mit Trüffel und Läden von VIPs wie Fußballer Lukas Podolski.
Doch mittlerweile hat die Bundesrepublik, in der die Döner-Branche laut Statista jährlich 2,4 Milliarden Euro umsetzt, die nächsten Sorgen. In Baden-Württemberg fordert die Stadtinitiative „Mein Heilbronn“ eine „Obergrenze für den Döner“ in der Innenstadt. Denn längst sei die Gewerbevielfalt angesichts der überhandnehmenden Barbershops, Nagelstudios und Imbisse gefährdet. Die Stadtverwaltung hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das auch ein Entwicklungskonzept prüft, wie es andere Städte bereits verabschiedet haben.