Die Beziehung der Deutschen zu den Vögeln ist traditionell eine innige, heißt es doch schon im Kinderlied „Alle Vögel sind schon da“ so: „Was sie uns erzählen nun, nehmen wir zu Herzen.“ Entsprechend ist es Herzenssache, wenn der 1899 in Stuttgart als Bund für Vogelschutz gegründete Naturschutzbund (Nabu) und der 1909 gegründete Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) erneut ihren Superstar suchen. Bis 10. Oktober besteht die Möglichkeit, den „Vogel des Jahres 2025“ mitzuwählen. Fünf Kandidaten treten an: Hausrotschwanz, Kranich, Schwarzspecht, Schwarzstorch und Waldohreule.
Traditionell wird der jeweilige Vogel volkstümlich vorgestellt. Aber auch Eingriffe des Menschen, die einem Vogel das Überleben schwermachen, werden aufgezeigt. Es ist der Hausrotschwanz, mit dem am Morgen das „Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren“ schon vor Sonnenaufgang einsetzt. Es handelt sich hier um einen Insektenfresser, ist dem Nabu-Magazin Naturschutz heute zu entnehmen, der „vom Insektenrückgang durch die intensive Landwirtschaft und naturferne Gärten stark betroffen“ sei. Er ist ein Gebäudebrüter, der aufgrund moderner Bauweise und Sanierungen allerdings immer schwieriger Nistmöglichkeiten findet.
Windenergiesensible Vögel und spezifische Abstandsempfehlungen
Fast könnte man daher Rachel Carsons „Der stumme Frühling“ von 1963 anstimmen und diesen Vogel gleich zum Vogel des Jahres wählen. Doch der Hausrotschwanz weicht zur Not auf Tiefgaragen, Bahnanlagen und Rolladenkästen aus. Der zweite Kandidat ist nicht so klein, er wird über einen Meter hoch: der Kranich. Ein imposantes Tier, das im Frühjahr mit „eleganten Balztänzen“ brilliert und im Herbst beeindruckend seinen Zug in großen Keilformationen antritt. In vielen Ländern symbolisiere dieser Vogel auch Glück; der japanischen Shinto-Religion ist er sogar ein heiliges Tier. Mit um so größerer Freude wurde der Kranich schon 1978 zum Vogel des Jahres gekürt.
Auch der Schwarzspecht tritt nach 1981 nun zum zweiten Mal an. Er wird für eine Wiederwahl angepriesen unter der Überschrift „Trommeln für Vielfalt“. Wenn der Schwarzspecht seine Löcher in alte Bäume hämmert, finden Höhlen immer auch Nachmieter, den Siebenschläfer, die Fledermaus, sowie die Hohltaube. So ist das gemeint: er trommelt für die Artenvielfalt. Sonst hat er keine Probleme, wenn man ihm nur die alten Bäume stehenläßt.
Etwas anders stellt es sich für den Schwarzstorch dar, dessen dunkles Gefieder einen grünlich-violetten Metallglanz aufweist und der in Deutschland in 800 bis 900 Brutpaaren leben soll. Da er Waldgebiete bevorzugt, sieht man ihn selten. Von Lebensraumgefährdungen ist bei Naturschutz heute (Herbstausgabe 2024) nicht die Rede. Eine vom Landesbüro Naturschutzverbände NWR offengelegte Liste „Windenergiesensible Brutvogelarten und spezifische Abstandsempfehlungen“ weist den Schwarzstorch als anspruchsvollste Vogelart aus.
Gelten für die meisten Vogelarten 500 bis 1.000 Meter Abstand zu Windkraftanlagen (WKA) als Ausschlußgrund, sind es beim Rotmilan 1.500 Meter und beim Schwarzstoch 3.000 Meter. So hohe Ansprüche stellt sonst nur noch der Seeadler. Darüber hinaus gibt es für die Abstände noch einen „Prüfbereich“. Dieser liegt beim Schwarzstorch mit seinen Nestern bei 10.000 Metern. Da kommt selbst der Seeadler nicht mehr mit, für den 6.000 Meter ausgewiesen sind. Bei der Einstufung eines Kollisionsrisikos rangiert der Seeadler auf der höchsten Stufe, der Schwarzstorch dahinter.
Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck waren die Abstandsregeln 2022 ein Dorn im Auge für die Durchsetzung von mehr WKA. Der Schwarzstorch gilt nach Paragraph 45b Bundesnaturschutzgesetz nun nicht als kollisionsgefährdete Brutvogelart. In der Fundkartei der Vogelschutzwarte Brandenburg sind bundesweit fünf Schlagopfer dokumentiert und keines davon in Baden-Württemberg, wie eine Anfrage der FDP im Stuttgarter Landtag mit dem berücksichtigten Stand August 2023 ergab (Drucksache 17/5399).
Vogelkundliche Kritiker wenden ein, die Schlagopferzahlen seien deshalb gering gewesen, weil die Abstandsregeln eingehalten wurden, aber nicht, um sie nun zu umgehen. Hinzu kämen Probleme bei den Zählungen. Um die Vorstellung der zur Wahl stehenden Vögel abzuschließen: es steht auch die Waldohreule auf der illustren Liste. Es handelt sich um einen Vogel besonderer Physiognomik und Talente, voller Symbolik. Probleme mit der von Menschen veränderten Lebenswelt werden in der Vorstellung nicht angeführt.
Mit der Wahl des Schwarzstorches die Windkraftindustrie ärgern?
Überblickt man die Vorstellungsrunde, wird nur bei dem Hausrotschwanz der Lebensraum des betreffenden Tieres problematisiert. Dabei wird vor allem die Landwirtschaft genannt, die selbst Probleme hat, hierzulande zu überleben. Beim Schwarzstorch böte es sich an, seine Sensibilität in bezug auf die Windindustrie als Vogel des Jahres zu nutzen, um auf die sich verschärfenden Probleme aufmerksam zu machen. Aber davon kein Wort. Was wirft das für ein Licht auf den Nabu?
Dieser hadert mit der Landwirtschaft, kokettiert aber selbst mit der Windindustrie für das höhere Ziel des Klimaschutzes. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. In der Ampelregierung gibt für die WKA-Ausbaupläne das grün geführte Wirtschaftsministerium den Ton an, nicht das ebenfalls grün geführte Umweltministerium. Schon lange pfeifen die Spatzen von den Dächern, daß der Naturschutz dabei unter die Räder gerät, was dem Nabu nicht entgangen ist. Insofern ist es auch keine Überraschung, daß der Schwarzstorch zumindest still und leise den Weg in die Auswahl für den Vogel des Jahres 2025 gefunden hat. Die Wähler haben damit die Wahl, mit dem „Vogel des Jahres 2025“ auf Probleme mit der Landwirtschaft aufmerksam zu machen oder mit der Windindustrie – oder sich einfach nur der Vögel zu erfreuen.
Wahlseite zum „Vogel des Jahres 2025“: www.vogeldesjahres.de