© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/24 / 27. September 2024

Der Genozid-Vorwurf dämonisiert Israel und produziert Judenfeindschaft
Inflationär gebraucht und irreführend

Stop the Genocide“ ist zur allgegenwärtigen Parole in den sozialen Medien und auf Demonstrationen geworden. Der Vorwurf lautet, Israel begehe im Gazastreifen einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung. Zugleich wird auch das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf israelischem Boden, das den Krieg ausgelöst hat, immer wieder als Genozid bezeichnet. Nach Einschätzung der Politologin Larissa Schober verwenden beide Seiten diesen 1948 in die UN-Konvention aufgenommenen Straftatbestand des Völkermords, der die ganze oder teilweise Zerstörung ethnischer, nationaler, rassischer und religiöser Gruppen sanktioniert, zumeist unscharf, irreführend und losgelöst von der strengen juristischen Definition, die Wissen und Wollen der Zerstörung einer Gruppe voraussetzt. Im Kontext des Gaza-Krieges müßte dieser wechselseitige Vorwurf darum in einem aufwendigen Beweisverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geprüft werden. Solange das nicht geschieht, dient der inflationär gebrauchte Genozid-Begriff primär der Dämonisierung Israels. Er helfe nicht, den Krieg schneller zu beenden, sondern produziere im Zweifelsfall vor allem Antisemitismus. Es sei auch unwahrscheinlich, daß der Völkermord-Vorwurf dazu beitrage, eine Auseinandersetzung bei jenen anzustoßen, deren mörderische Judenfeindschaft vor einem Jahr eskalierte. Um den Krieg zu stoppen, wäre nach komplizierten politischen Lösungen zu suchen. Das sei offensichtlich schwerer als Genozid zu deklamieren und sich auf der richtigen Seite der Geschichte zu wähnen (Blätter für deutsche und internationale Politik, 9/2024). (ob)  www.blaetter.de