Der 35. Jahrestag des Mauerfalls ist in Sicht. Für Carsten Spitzer (Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Uni Rostock), der ein Teilprojekt im Forschungsverbund „Gesundheitliche Langzeitfolgen von SED-Unrecht“ leitet, höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf zwei bislang kaum beachtete Gruppen von Regime-Opfern zu richten: Sportler, die ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen gedopt wurden, und politisch Oppositionelle, die man nicht inhaftierte, sondern mit Methoden der „operativen Psychologie“ drangsalierte. Das Doping im Leistungssport erfolgte seit 1974 „flächendeckend“, weil die DDR-Führung ein massives Interesse daran hatte, daß ihre „Diplomaten im Trainingsanzug“ durch sportliche Höchstleistungen die Überlegenheit des sozialistischen über das kapitalistische System bewiesen. Die Folgen zeigen sich bei den von Spitzer untersuchten Betroffenen bis heute, etwa in Form nachhaltiger Schädigungen des Schmerzsystems, in Depressionen und Angststörungen. Auch die von der Haft verschonten, aber „Zersetzungsmaßnahmen“ der Staatssicherheit Unterworfenen leiden bis heute an den erlebten Repressionen. Es seien „zerstörte Seelen“, die häufig ihre Phobien und Depressionen mit Alkohol oder Drogen betäuben. Nicht mehr zu erfassen war die Zahl der Stasi-Opfer, die in den letzten Jahrzehnten in den Freitod flüchteten. Zwar habe die Mehrheit ihrer Bürger keine psychischen Schäden durch das SED-Unrechtsregime erlitten. Dennoch gab es Zehntausende von Personen umfassende Opfergruppen, die nicht in Vergessenheit geraten sollten (Psychologie heute, 10/2024). (dg)
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