Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dieser alte Spruch bewahrheitet sich im Fall des Plasikboxen-Herstellers Tupperware wieder einmal. „Die Party ist vorbei“, titelte die Bild, und der Branchendienst Kunststoffweb verstieg sich zu dem Witz: „Die Party endet im Gläubigerschutz“. Wer den Namen Tupperware hört, denkt an Hausfrauen, die ihre Nachbarinnen zum Kaffeekränzchen einladen und dabei noch ein paar Frischhaltedosen verkaufen wollen.
Damit könnte bald Schluß sein, denn der in Florida beheimatete Konzern ist pleite. Die Tupperware Brands Corporation stellte in den USA für sich und einige Tochterfirmen einen Insolvenzantrag. Das Traditionsunternehmen war für seine bunten Plastikdosen und privaten Werbepartys bekannt. Gegründet wurde die Firma 1938 vom Geschäftsmann und Erfinder Earl Tupper. Die auffallend grellen Boxen galten teilweise als der letzte Schrei. Auch das Vertriebssystem, das überwiegend auf den Direktvertrieb mit Verkaufspartys setzte, war einst eine Innovation. Das Unternehmen ist bereits seit 1962 auf dem deutschen Markt vertreten.
Bekannt war allerdings auch, daß die Firma seit Jahren mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen hatte. In den vergangenen Jahren habe Tupperware mit einem „herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld“ zu kämpfen gehabt, teilte das Unternehmen mit. Obwohl es während der Corona-Krise zu weitreichenden Kontaktbeschränkungen gekommen war und die klassischen Tupper-Partys verboten waren, erlebten die bunten Boxen damals ein Comeback. Viele Verbraucher bestellten im Internet, und das Kochen am heimischen Herd war wieder in. Doch es war nur ein kurzes Strohfeuer. Es seien mehrere strategische Optionen durchgespielt worden.
Das Insolvenzverfahren biete nun aber die beste Möglichkeit für eine Neuausrichtung. Die letzten Geschäftszahlen hatte die Tupperware Brands Corporation 2022 veröffentlicht, damals war der Umsatz auf 1,3 Milliarden Dollar zurückgegangen. Das waren 42 Prozent weniger als vor der Corona-Krise. Bereits 2023 warnte der Tupperware-Konzern deshalb, daß der Geschäftsbetrieb vor der Einstellung stehe. Seit einigen Monaten laufen bereits Verhandlungen mit Geldgebern. Angestrebt wird ein Verkauf des Unternehmens. Dabei soll der bekannte Name „Tupperware“ erhalten bleiben. Der Betrieb soll während der Suche nach einem Käufer weitergehen. Zuletzt kämpfte die Firma nach eigener Aussage vor allem mit steigenden Kosten für Rohstoffe sowie mit höheren Arbeits- und Frachtkosten. „In den letzten Jahren wurde die finanzielle Lage des Unternehmens durch das schwierige makroökonomische Umfeld stark beeinträchtigt“, sagte Tupperware-Chefin Laurie Goldman.
Ein weiterer Grund sei die hohe Inflation. Sie schrecke Verbraucherinnen und Verbraucher mit niedrigem und mittlerem Einkommen ab. Das nun beantragte Verfahren nach „Chapter 11“ des US-Insolvenzrechts soll das Unternehmen vor den Forderungen der Gläubiger schützen und eine Neuausrichtung ermöglichen. Dafür will das Unternehmen nach weiteren Investoren suchen. Branchenkenner stellen aber die Frage, ob das Geschäftsmodell nicht überholt sei. Es gebe mittlerweile viele Angebote im Internet, die billiger seien. Zudem hätten Essenslieferanten weitreichende Marktanteile gewonnen. Und der Trend, große Menge an Essen vorzukochen, sei längst gebrochen.
„Ein Hauch American Dream für die moderne Hausfrau von damals“
Tupperware hat derzeit noch rund 5.500 Mitarbeiter in 41 Ländern. Hinzu kommen rund 465.000 der eigenständig agierenden Verkaufsberater. Das Geschäftsmodell war allerdings nicht nur in den vergangenen Jahren rückläufig. Die Probleme hatten sich bereits länger angedeutet. Bis zur Jahrtausendwende gingen die Erlöse bereits um mehr als ein Viertel zurück. Im Zuge der Klima- und Umweltdebatte gerieten Plastikprodukte generell in einen schlechten Ruf. Experten warnten bereits vor längerer Zeit, die Produkte seien vor allem für die jüngere Zielgruppe unattraktiv. Interessant wird sein, wie es weitergeht. Tupperware wirbt mit einer Garantie von 30 Jahren für viele seiner Plastikdosen. Dabei handelt es sich aber um eine freiwillige Leistung bei Materialfehlern oder Fabrikationsmängeln. Gerichtlich einklagbar ist dies wohl nicht. Selbst die gesetzliche Gewährleistung fällt bei insolventen Firmen weitgehend weg.
Um Tupperware gibt es zahlreiche Anekdoten. In England wurden die bunten Boxen zu einem Kultstatus, als ein Investigativ-Journalist herausfand, daß die Dosen auch auf dem Frühstückstisch von Queen Elizabeth standen. Die Königin und ihr Gemahl, Prinz Philip waren für ihre Sparsamkeit bekannt. Das Geheimnis der Tupperware-Schüsseln ist eine unzerbrechliche, flexible, leichtgewichtige Kunststoffhülle, die zudem noch luftdicht verschließbar und weitgehend geruchsneutral war.
Zudem gilt der Konzern bis heute als Pionier im Direktmarketing. Ursprünglich wurde Tupperware ganz normal in Läden verkauft. Bis Brownie Wise, eine geschiedene und alleinerziehende Frau, vor Jahrzehnten herausfand, daß ein Vorführen in heiterer Runde die Wunderschüsseln besser an die Frau brachte, als sie allein in Ladenregalen zum Verkauf anzubieten. Die Tupper-Partys waren geboren, und der Firmengründer heuerte die Frau als Verkaufsexpertin an. Pro Jahr finden immer noch Millionen dieser Veranstaltungen statt. In Deutschland gibt es noch etwa 4.000 selbstständige Verkäuferinnen. „Ein Hauch American Dream für die moderne Hausfrau von damals“, schrieb das Redaktionsnetzwerk Deutschland zum 60. Geburtstag.
„Oft kopiert – nie erreicht“, lautet ein Tupperware-Werbespruch. Ganz scheint das nicht mehr zu stimmen. Anfang 2000 stieg mit dem Staubsauger- und Thermomix-Hersteller Vorwerk ein deutscher Investor bei Tupperware ein. Nach fünf Jahren wurde die Liaison bereits wieder geschieden. Vorwerk kündigte damals an, die Nummer eins im Direktvertrieb werden zu wollen. Auswirkungen auf die Branche befürchtet man daher durch die Tupperware-Krise nicht. „Ganz eindeutig nein“, sagte Alexandra Bekavac vom Bundesverband Direktvertrieb Deutschland gegenüber t-online. „Der Direktvertrieb wächst seit zehn Jahren kontinuierlich. Die Verkaufsparty geht ungebrochen weiter.“
www.tupperware.de/de-de/mach-party
ir.tupperwarebrands.com/news-and-events/press-releases/2024
Foto: Beraterin zeigt Berliner Partygästen die Funktionen einer Tupperdose: „Chapter 11“ des US-Insolvenzrechts soll dem Konzern eine unternehmerische Neuausrichtung ermöglichen