© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/24 / 27. September 2024

Das Gold glänzt im Osten
Goldmarkt: In diesem Jahr ging die Preisführerschaft erstmals von New York nach Shanghai
Bruno Bandulet

Das Jahr 2024 wird in die Goldgeschichte eingehen. Nicht nur wegen der rekordhohen Preise in Dollar und Euro – von schwächeren Währungen ganz zu schweigen. Noch zu Jahresanfang hatte der Unzenpreis Mühe, sich über der 2.000-Dollar-Marke zu behaupten. Im September wurden 2.600 Dollar erreicht. Und dies in einem Umfeld, das in Nordamerika und Europa nicht günstig für das Edelmetall aussah. Die Inflation, normalerweise ein Preistreiber, befand sich auf dem Rückzug, und die lange Zeit negativen Realzinsen wurden wieder positiv. Nachvollziehbar also, daß die privaten Investoren im Westen abseits standen und daß sich in Deutschland, einem besonders goldaffinen Land, die Käufe und Verkäufe meist die Waage hielten.

Das scheinbare Paradoxon läßt sich erklären: Da das Angebot am Goldmarkt weitaus weniger preisbestimmend ist als die Nachfrage, mußte es früher oder später Folgen haben, daß die Zentralbanken 2022 und 2023 netto jeweils mehr als 1.000 Tonnen Gold erwarben und damit knapp ein Viertel des gesamten Angebots. Während in den neunziger Jahren westliche Notenbanken Gold zu Tiefstpreisen auf den Markt warfen, war es diesmal der globale Süden, der den Markt dominierte. Rußland und China stockten ihre Goldreserven auf, aber auch Indien, die Türkei, Katar und Südafrika. Es war der Beginn einer kaum beachteten „Dedollarisierung“, einer graduellen Abkehr von der Leitwährung Dollar als Reserve- und Handelswährung.

Während Gold teurer wurde, begann sein altes Spiegelbild, der Dollar, schwächer zu werden. Kein Zufall war es, daß der seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts feststellbare Acht-Jahres-Zyklus auf 2024 fiel. Nach den Wendejahren 2008 und 2016 dauerte es rund vier Jahre, bis die Kaufkraft am Goldmarkt erlahmte und der Haussetrend kippte. Falls sich das Muster wiederholt, würde der aktuelle Bullenmarkt Zeit bis 2028 haben. Wegen der auch beim Gold üblichen Volatilität wären temporäre Rückschläge von vielleicht zehn Prozent oder mehr keine Überraschung. Unbeantwortet bleibt vorerst die Frage, ob der künftige Goldmarkt zusammenfällt mit einem schlechten Aktienmarkt wie in den 1970er Jahren.

Alternative zum dollardominierten Swift-Zahlungssystem geplant

Auf der Angebotsseite sind keine größeren Überraschungen zu erwarten. Laut einer neuen Studie könnte die globale Goldförderung schon 2026 eine Spitze von 110 Millionen Unzen erreichen und danach langsam zurückgehen. Dafür spricht, daß seit Jahren nur wenige neue Goldlagerstätten entdeckt werden. Sie machen nur einen Bruchteil der Funde in den 1990er Jahren aus. Ein Grund dafür ist, daß die führenden Konzerne wie Newmont Mining und Barrick Gold nur noch dort explorieren, wo sie bereits produzieren, weil das billiger ist. Ähnlich wie die Ölfirmen investieren sie weniger als früher in die Suche nach neuen Vorkommen.

Schwerer wiegen der Machtverlust des Westens, der Aufstieg Asiens und der BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) und damit die fundamentalen Verschiebungen am Goldmarkt. Rußland, 2024 offenbar nicht mehr unter den Käufern, hat innerhalb von zehn Jahren den Goldanteil seiner Devisenreserven von zehn auf 30 Prozent erhöht. In Südafrika stieg er auf 15 Prozent, in Indien auf neun Prozent. Ob China sämtliche Goldkäufe korrekt dem Internationalen Währungsfonds (IWF) meldet, ist zu bezweifeln. Wenn man den offiziellen Zahlen glaubt, hält die chinesische Zentralbank (PBC) immer noch weniger Gold als die Bundesbank und damit nur fünf Prozent ihrer Devisenreserven. Würde sie auf neun Prozent aufstocken (das Niveau Indiens), würde allein das den Preis auf Jahre hinaus nach oben treiben.

Dann steht noch das Projekt einer BRICS-Digitalwährung im Raum. Überlegt wird, sie zu 60 Prozent durch nationale Währungen und zu 40 Prozent durch Gold zu decken. Im Juni sprach Wladimir Putin darüber mit Dilma Rousseff, Ex-Präsidentin von Brasilien und Chefin der 2014 gegründeten New Development Bank der BRICS.

Inzwischen gehören auch Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den BRICS. Zweck der neuen Währung wäre es, eine Alternative zum dollardominierten Swift-System zu schaffen und damit zur westlichen Finanzhegemonie. Noch steht das Projekt dieser Gemeinschaftswährung auf dem Papier. Ihre Logik aber leuchtet ein. Weil beispielsweise Rußland und Indien wegen der westlichen Sanktionen nicht mehr in Dollar abrechnen können, werden russische Öllieferungen in Rupien bezahlt, für die die Russen wenig Verwendung haben. Die neue Währung würde den stark wachsenden Handel zwischen den BRICS-Ländern ohne Zweifel erleichtern.

Aber auch unabhängig von einer BRICS-Währung entfällt längst mehr als die Hälfte der globalen Goldnachfrage auf nur zwei asiatische Länder: China und Indien. Und im ersten Halbjahr 2024 wurde der Goldpreis zum ersten Mal nicht in New York und London, sondern in Shanghai gemacht. Die Angelsachsen hatten die Preisführerschaft verloren. Erst im Sommer trocknete die chinesische Nachfrage wieder aus. Während die private Goldnachfrage in Indien, beflügelt durch die Verringerung der Importzölle, kräftig anstieg, meldete die chinesische Zentralbank keine Käufe mehr. In Shanghai sank der Goldpreis unter die Londoner Notierungen, nachdem er im Frühjahr noch deutlich darüber gelegen hatte.

Und im August fielen die für China bestimmten Goldexporte des physischen Umschlagplatzes Schweiz auf null, nachdem sie schon im Juni und Juli zurückgegangen waren. Nun rückte die Zinssenkungsphantasie in den Fokus der Spekulanten am New Yorker Terminmarkt (Comex). Sie sorgten für die jüngsten Preisavancen. Unterdessen bedient sich China, noch vor Rußland der größte Goldproduzent, aus den eigenen Goldminen. Es sieht ganz so aus, als warteten die Chinesen auf tiefere Goldpreise, bevor sie erneut an den globalen Markt zurückkehren.



Dr. Bruno Bandulet war Chef vom Dienst der Welt und Herausgeber des Börsenbriefs Gold & Money Intelligence. www.gold.org/news