Als im Oktober 1949 die kommunistische Bauernarmee Mao Tse-tungs die nationalistischen Truppen Tschiang Kai-scheks nach Taiwan vertrieb, befriedete sie das seit dem Sturz der Qing-Dynastie im Jahr 1911 fast ständig im Bürgerkrieg und im Krieg mit Japan (1937–45) befindliche Riesenreich vorläufig. Übergelaufenen Kriegsherren, den Beamten der bisherigen Kuomintang (KMT)-Regierung und zurückkehrenden Unternehmern würde kein Haar gekrümmt, versicherten die Kommunisten. Kein Wunder, daß die Amerikaner sie für harmlose Landreformer hielten und keinen Finger rührten, um ihren Verbündeten Generalissimus Tschiang Kai-schek zu verteidigen. Sie sollten sich täuschen.
Nachdem die Volksbefreiungsarmee 1950 in Tibet, Yunnan und Kwangtung einrückte, fühlte sich Mao 1952 stark genug, seine „volksdemokratische Diktatur“ mit einem Einparteienstaat zu errichten. Bürgerliche Reaktionäre, Konterrevolutionäre und „Lakaien der Imperialisten“ wurden verfolgt, Kirchen und Tempel geschlossen, der Klerus als Verbreiter von Aberglauben verhaftet und ein landesweites Spitzelsystem aufgezogen. Lautsprecher und Wandzeitungen verkündeten nur noch Parteipropaganda.
In allen Dörfern mußte ein Großbauer als vorgeblicher Feudalherr von der Dorfgemeinschaft hingerichtet werden. Dann wurde sein Land genossenschaftlich organisiert. 1956 ordnete Mao die Bildung von 70.000 Volkskommunen an, die mit etwa 5.000 Haushalten jeweils mehrere Dörfer umfaßten und alles Land, Vieh, Gerät und Mobiliar erhielten. Die Familien wurden getrennt, in Arbeitsbrigaden organisiert und in Baracken mit Gemeinschaftsküchen untergebracht. Kinder und Alte hausten separat. Der Staat war nun der einzige Großgrundbesitzer. Aus 500 Millionen befreiten Bauern waren rechtlose Arbeitssklaven geworden. Wie schon während Stalins Zwangskollektivierung waren Hungersnöte die Folge. Mao machte Singvögel, die angeblich das Saatgut weggefressen hatten, verantwortlich und ließ sie ausrotten. Die folgende Insektenplage dezimierte die Ernten. Schon 1952 ließ er ebenfalls nach Stalins Vorbild einen ersten Fünfjahresplan zur Schwerindustrialisierung erstellen. So sollte in jedem Hinterhof einer Volkskommune ein Hochofen zur Eisenerzeugung stehen. Weil das Erz meist fehlte, schmolzen die Bauern ihr Gerät ein, um das Plansoll zu erreichen.
Xi strebt nach Weltordnung mit China im Zentrum
Nach dem Desaster des „Großen Sprungs nach vorn“ ließ Mao mit der Kampagne „Laßt 100 Blumen blühen“ 1957 ein halbes Jahr lang Kritik an seiner Politik zu. Nachdem sich kritische Geister geäußert hatten, säuberte er sie als Rechtsabweichler. Die nächste große Säuberung kam 1966. Eine Million jugendlicher Rotgardisten sollten gegen ihre Eltern kämpfen, die klassische Kultur, alte Gedanken, Sitten und Gebräuche ausmerzen, um die kommunistische Macht zu zementieren und den revolutionären Geist in Partei und Gesellschaft nach seinem Tod aufrechtzuerhalten. Die Kulturrevolution artete schließlich in einen Massenterror aus – inklusive der Plünderung von Wohnungen, Folter, und mit Massenhinrichtungen in Sportstadien oder der Verbannung in Umerziehungs-Hungerlager. Als schließlich die Roten Garden untereinander zu kämpfen begannen, schritt die Volksbefreiungsarmee ein und schickte die Jugendbanden, insgesamt 17 Millionen Jugendliche, aufs Land, setzte aber bis 1976 den Terror und die Plünderungen fort. In Summe hat Mao mindestens 40 Millionen Menschenleben auf dem Gewissen. Er starb im September 1976.
Der mehrfach gesäuberte Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping siegte im folgenden Kampf um die Macht. Deng verkündete 1978 die Modernisierungen von Landwirtschaft, Industrie, Militär und Verwaltung als pragmatische Ziele in einer weiter nominell sozialistischen Wirtschaft. Doch wurde der Griff der Planwirtschaft gelockert, auch wenn Parteizellen sich weiter in Unternehmensentscheidungen einmischten. Hauptsache, die Lebensstandards und die Produktivität stiegen wieder. So durften die Bauern wieder als Familienbetriebe auf staatlichem Pachtland ihre Überschüsse – nach den Pflichtabgaben – frei verkaufen. Die Reisefreiheit wurde eingeführt. Leistungslöhne durften in Betrieben frei vereinbart werden. Zollbefreite Sonderwirtschaftszonen für Exporte und Auslandsinvestitionen wurden an der Küste eingerichtet. Wachstumsraten von im Schnitt neun Prozent jährlich waren das Ergebnis.
Doch war Deng kein Demokrat. Der Zerfall des Ostblocks 1989 war für ihn ein abschreckendes Beispiel. So ließ er die Demokratiebewegung von Studenten und Arbeitern auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 vom Militär brutal zusammenschießen. Tausende starben.
Mit der Rückkehr Hongkongs unter die Oberhoheit Chinas 1997 und Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO 2001 glaubte der Westen, Peking würde mit den Segnungen des Freihandels zur Rechtsstaatlichkeit, zu international geltenden Normen und zu wirtschaftlichen und politischen Grundrechten bekehrt. Doch weit gefehlt.
Auf Deng folgte 1997 sein Gefolgsmann Hu Jintao. Nach dem Ende seiner Amtszeit 2012 kam der Provinzfunktionär Xi Jinping, der damals noch als umsichtiger Wirtschaftsreformer ohne Feinde galt, an die Macht. Der heutige Präsident wurde 1968 mit 15 Jahren für sechs Jahre zur Zwangsarbeit aufs Land verbannt, wo er sechs Monate in einer Lößhöhle hauste. Nach seiner Rehabilitierung wurde er ein nur um so mehr angepaßter Funktionär. Als Generalsekretär der KPCh riß er alle wichtigen Funktionen an sich, kontrollierte als Vorsitzender der Militärkommission den Sicherheitsapparat und ließ sich zum Staatspräsidenten ausrufen. Gegner und Rivalen schaltete er durch Anti-Korruptionskampagnen aus, während die Bevölkerung digital überwacht und mit Sozialkrediten belohnt oder bestraft wird.
China soll nach Xis „chinesischen Traum“ eine sino-zentristische Weltordnung schaffen, gleichzeitig in einem „doppelten Kreislauf“ möglichst wirtschaftsautark und unabhängig von westlicher Technologie werden und sich auch über Seidenstraßen-Initiativen die Rohstoffe Zentralasiens und Afrikas sichern. Staatsbetriebe werden wieder begünstigt, Privatfirmen toleriert. Wer nicht pariert, verschwindet von der Bildfläche wie etliche Milliardäre, deren berühmtestes Beispiel Alibaba-Gründer Jack Ma ist. Im Inneren ist Xi zur brutalen Repression bereit. Hongkong wurde 2019 blutig gleichgeschaltet. Tibetische Kinder müssen ab vier Jahren in staatliche Internate. Gegenüber dem nahen Ausland tritt China in Disputen um unbesiedeltes Gebiet, wie Grenzstreifen im Himalaya gegenüber Indien, den Senkaku-Felseninseln im Süden Japans und den Atollen im Südchinesischen Meer, immer aggressiver auf. Dies gilt auch für Taiwan, dem immer unverhohlener mit einer Blockade gedroht wird.