© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/24 / 27. September 2024

Einsicht der Woche
Punk ist wirklich tot
Christian Vollradt

Früher war die Welt (oft) einfacher. Auf einem Schulhof Mitte der Achtziger, zum Beispiel, gab es zwei äußere Pole: Punk und Junge Union. Die einen trugen nietenbesetzte Leder-, die anderen Barbourjacke. Die einen forderten „Keine Macht für niemand!“, die anderen „Lieber eine Pershing im Garten als eine SS20 aufs Dach!“ Die einen hörten Sex Pistols, die anderen Synthesizer-Pop. Doch diese Dichotomie ist spätestens am 30. Oktober vorbei. Da verleiht Hendrik Wüst, einst rechter JUler, nunmehr dank grüner Unterstützung nordrhein-westfälischer CDU-Opportunisterpräsident, den Toten Hosen, jenen Ikonen des Punkrocks deutscher Zunge, den höchsten Kulturpreis seines Bindestrich-Landes. Für ihre „gesellschaftskritischen Texte“, für – na logisch – die „klare Positionierung gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt“. Und was machen die einstigen Anti-Alles-Seienden? Nehmen das Ding an. Als wäre es ein eisgekühlter Bommerlunder oder ein belegtes Brot mit Schinken. Ei, was ist bloß aus Campino, Kuddel und Breiti geworden? Die sich einst im Haus des damaligen Ministerpräsidenten Niedersachsens, Ernst Albrecht (CDU), dem Vater Ursula von der Leyens, so danebenbenahmen, daß sie der Hausherr persönlich mit zornesrotem Gesicht rauswarf … Andererseits: „Totale Pflichterfüllung, Ordnung und Sauberkeit, alles läuft hier nach Fahrplan“, wie es in ihrer Antinationalhymne („1.000 gute Gründe“) hieß, beschreibt die Zustände in diesem unserem Land eh nicht mehr korrekt („All die Korruption, die Union!“) Für das standesgemäße Ende eines Punks kommen eigentlich nur wenige Möglichkeiten in Frage: Genickbruch beim Pogo oder zumindest Leberzirrhose. Bei den Toten Hosen als Band kommt eine neue, ungleich grauenvollere Todesursache hinzu: der „Staatspreis NRW“. Ruhet in Frieden.